Gestern habe ich mein Lauftraining nicht gemacht. Ich habe lange gearbeitet und es einfach nicht mehr geschafft. Wenn der Wille wirklich dagewesen wäre, dann hätte es natürlich geklappt. Das ist klar und immer so. Wer laufen möchte, der findet dafür Zeit. Auch, wenn viel Arbeit da ist. Die ist ja schließlich durch das Lauftraining nicht weg, die wartet auf mich. Aber gestern hab ich es nicht in meinen Tag reingepackt. Obwohl ich eine Tasche mit im Büro hatte. Die habe ich aber gepackt reingetragen und genauso auch wieder nach draußen getragen. Hat sich also voll gelohnt die Tasche. Heute passiert mir das nicht. Heute habe ich Lust zu graveln. 

Vor der Arbeit fahre ich normalerweise auf Zwift. Das heißt, ich bin virtuell unterwegs und vermeide dadurch Stress mit anderen Verkehrsteilnehmern, Hundehaltern oder Glasscherben auf dem Boden. Ich muss mir virtuell keine Gedanken über das Wetter machen und kann auch jederzeit absteigen, weil ich ja sowieso daheim bin. Bin ich draußen unterwegs, dann muss ich auf jeden Fall wieder heim fahren, ehe ich mit dem Fahren aufhören kann. Virtuelles Radfahren hat wirklich viele Vorteile. Trotzdem gibt es natürlich einen wesentlichen Nachteil und der ist, dass es eben virtuelles Fahren ist. Draußen graveln ist einfach etwas ganz anderes.

Spricht denn etwas gegen eine kurze Runde graveln heute früh? Nein. Da spricht tatsächlich nichts dagegen. Ich bin ein Frühaufsteher und habe deshalb bis ich um 8:30h mit der Arbeit starte noch ordentlich Zeit. Ich ziehe mir also meine Radklamotten* an und stecke mir zur Sicherheit noch Armlinge* ein. Draußen sind es zwar 17 °C, also eigentlich kein Wetter für lange Ärmel, aber im Wald kann es doch noch mal frischer sein. Wo ich heute entlang fahre weiß ich ehrlich gesagt noch nicht, als ich auf der Straße stehe. Allerdings wird sich das ganz sicher einfach finden. Das ist beim graveln immer so. Das Fahrrad sucht den Weg mit aus, weil es sich einfach überall wohlfühlt. 

Ich pedaliere los und überlege kurz, ob ich die Armlinge gleich anlegen soll. Auch auf dem Feld ist es noch ganz schön frisch. Das ist schon fast herbstlich, finde ich. Der Nebel liegt noch über dem Feld und wie die eben noch vom Thermometer abgelesenen 17 °C fühlt es sich hier auch gar nicht an. Aber gut. Ich fahre erst mal ohne Armlinge weiter und schau mal, wie es über die Felder so läuft. Temperaturmäßig. Beim graveln bin ich ja auch nicht super flott unterwegs, da hält sich der Fahrtwind ganz sicher auch in Grenzen. Auf einer Wiese im Wald sehe ich einige Rehe, denen ich ganz offensichtlich überhaupt nicht als Störenfried auffalle. Sie schauen kurz in meine Richtung, mehr aber auch nicht. 

Sollte das nicht Fluchttiere sein? Diese Rehe genießen weiterhin ihren Morgen auf der Waldwiese und machen keine Anstalten zu verschwinden. Ganz anders ein Wildschwein, was ich nur wenig später auf einer Waldkreuzung sehe. Das hat eine ordentliche Geschwindigkeit drauf und ist so gut getarnt, dass es innerhalb von Sekunden im Wald verschwindet und ich es nicht mehr sehen kann. Dabei hätte ich es andersrum viel besser verstanden. Auf ein Wildschwein wirke ich doch garantiert nicht furchteinflößend. Aber egal. Es ist ja nun auch weg und ich kann es nicht fragen. 

Ich bin heute nicht lange am graveln, aber es reicht, um richtig toll frische Luft zu schnappen, zwei neue Wege zu entdecken und mich fit für den arbeitsamen Freitag zu machen. Ich muss mich durch kleine Trails kämpfen, die schon ziemlich überwuchert sind, und unter einem Baum durchfahren, der hier offensichtlich die Geschwindigkeit der Radfahrer reduzieren soll. Oder vielleicht wurde er auch noch gar nicht gemeldet und steht auf deshalb auch noch nicht auf der Aufräumliste. Mein Start in den Freitag war einfach perfekt. Virtuell wäre es nicht viel besser gewesen, da bin ich sicher. Zu Hause gibt’s noch mein mittlerweile übliches Dehnprogramm und dann geht’s geduscht an den Schreibtisch. 

Ein Hoch auf das Homeoffice und die eingesparte Fahrzeit ins Büro! Danke Chef!