Ein ganz normaler Sonntag. Wie früher. Ganz normal eben. Lang ersehnt. Heute ist es endlich mal wieder soweit. Ich hätte nicht gedacht, dass es dann jetzt doch so flott geht. Obwohl die Erholung noch andauern muß und der Reha Sport nach wie vor ein großer Teil meines Lebens ist, freue ich mich, dass wir heute mal wieder RTF fahren. Und wir verabreden uns sogar grob mit den Männern. Wahnsinn.
Logischerweise ist mir klar, dass ich niemals mit ihnen mithalten kann. Ich bin viel zu schlecht trainiert und wir wollen ja alle etwas vom Sonntag haben. Sie zum langsam fahren zu zwingen wäre doof, also starten wir gemeinsam und dann schauen wir mal. Ich würde gerne die 70er Runde fahren heute. 50km mit dem Windschattengeber waren ja vor zwei Wochen kein Problem, also zumindest kein unüberwindbares. Das sollte passen. Glaube ich zumindest.
Am Start treffen wir noch Madita und Lisabet, die sich -genau wie ich auch- fragen, wo die angekündigten 18-22°C denn so sind. Maximal 4°C würde ich die Lufttemperatur gerade schätzen. Kein Grad wärmer. Ich bin sehr froh über die Übergangshandschuhe und muß keine Sekunde überlegen, ob ich vielleicht zu viel anhabe. Wir fluchen noch ein bischen gemeinsam über die Temperatur, wünschen uns eine gute, unfallfreie, Fahrt und schon sind die Mädels auf der Piste. Der Trainingsplan zum Ironman Frankfurt schreibt heute 120km vor und da das ja wirklich extrem weit weg ist von meiner Leistungsfähigkeit, fahren die Beiden ohne uns los.
Der Zeugwart und ich warten auf die drei Männer, mit denen wir verabredet sind, und nachdem das akademische Viertel wegen erhöhtem Gut-Wetter-Ansturm voll ausgereizt wurde, starten wir auf unsere Runde. Die Hansen RTF ist seit Jahren ein fester Bestandteil im Kalender der Radsportler. Ich bin sie aber noch nie mitgefahren. Während wir die ersten Kilometer rollen, halte ich ordentlich Abstand und überlege mir, warum das eben so ist. Wirklich drauf kommen, tue ich aber nicht. Ich konzentriere mich dafür mehr auf’s Rad fahren. Und ich genieße. Die Normalität ist der Wahnsinn.
Einfach Fahrrad fahren. Toll! Natürlich fahren die Männer mir nach nur knapp 20 Kilometern davon und während ich eine außerplanmäßige Pause mache, teilt der Zeugwart die Wegtrennung und die womögliche Zielanpassung mit. Ich sehe die mittlere Runde nicht mehr als realistisch an. Da muß man einfach die Kirche im Dorf lassen. Wir sind heute Nachmittag zum Geburtstagskaffee eingeladen und ich kann nicht erst um 14h von der Tour zurück kommen.
Kurz vor der Verpflegung werden der Zeugwart und ich von einer Gruppe super cooler Radler eingesammelt. Sie überholen knapp, sind ausgestattet wie Profis und schwingen große Reden. Trotzdem überfahren wir zwei Ampeln gemeinsam. Und dann verpassen die Herren vor lauter auskennen und schon fünf mal mitgefahren sein auch noch den Abzweig zur Verpflegungsstelle. Nachdem wir abgestempelt und versorgt sind, trudeln sie irgendwann auch ein. Ich spare mir allerdings jeden Kommentar, denn mir liegen zwar zahlreiche auf der Zunge, aber wir sind alle hier um Spaß zu haben und da wäre es unangebracht den Herren ihren zu verderben, nur weil wir Schilder lesen können und sie nicht.
Obwohl die Schilder bei dieser RTF nicht unbedingt vorbildlich installiert sind. Oder vielleicht wurden sie vorbildlich installiert und die abwohnende Bevölkerung hat sich dazu entschieden sie umzustecken? Alles ist ja bekanntlich möglich. Wir folgen einem Hinweis auch nur, weil vor uns ein Tumult an Radlern wild auf der Strasse wendet und vollkommen ohne Rücksicht auf uns oder den entgegenkommenden Verkehr in eine Strasse abbiegt. Der Rennradrowdy in seiner schönsten Version, um es mal grob zu beschreiben. Hier gehen die Herren, tatsächlich ist keine Frau dabei, tatsächlich davon aus, dass ihnen die RTF Startnummer eine Vorfahrt sichert. Der entgegenkommende Autofahrer ist allerdings tiefenentspannt. Erfreulicherweise. Ich würde ihn auch verstehen, wenn er anders reagieren würde, immerhin wartet die Frau daheim sicherlich auf die Brötchenlieferung.
Wir wenden ebenfalls, allerdings etwas verkehrskonformer und grübeln noch zahlreiche Kilometer über das Hinweisschild, was eine Streckenteilung ankündigte, obwohl noch lange keine ansteht. Ich vermute einfach eine falsche Platzierung des Schildes… aber unüblich ist es natürlich trotzdem. Den allgemeinen RTF Teilnehmer kann man mit so einem Schild zahlreiche Kilometer lang verwirren, weil jede Straßenkreuzung nach der Streckenteilung abgesucht wird. Heute erfolgt die Teilung allerdings erst in Messel… viele Kilometer nach dem ersten Hinweisschild in Sprendlingen.
Die sonst immer runde 40km lange Strecke ist heute über 50km lang und so bin ich ganz schön geschafft, als wir zurück am Start ankommen. Wir halten noch einen netten Schwatz, verspeisen eine Zielwurst und betrachten Outfits, Helme und Fahrräder. Zusätzlich tauchen wir ein in die bereits in voller Tiefe ausdiskutierten Fachgespräche. Ich bin wieder angekommen. Zwar scheint meine Zielsetzung nach wie vor etwas anders und Fachgespräche über Schaltaugen, Lenkerband und die neuste Modellreihe Kurbeln stehen bei mir nicht im Fokus. Aber radeln, das paßt für den Sonntag Vormittag wieder… und darauf kommt es an.