Nach der grandiosen Fahrraderfahrung gestern bin ich heute neugierig. Was gibt es auf dem Markt noch?  Auch im Nachhinein habe ich von der gestrigen Beratung viel gelernt und habe mich nicht nur ernst genommen gefühlt, sonder auch wirklich gut beraten. Das ist richtig viel Wert. Es ist leider absolut nicht selbstverständlich, dass man als Frau in einem Radladen für voll genommen wird. Ich bin mir nicht sicher, ob es nur mir so geht? Vielleicht mussten andere Frauen schon ähnliche Erfahrungen machen? Bisher ist mir das zumindest selten passiert. Meistens werfen die Verkäufer mit Fachbegriffen um sich. Oft wird auch gleich über meinen Kopf hinweg mit dem Zeugwart gesprochen. Dabei bin meistens ich diejenige, die die Fragen stellt und die Beratung braucht.

Heute nutzen wir also den freien Tag und schauen nach Gravelbike Alternativen. Es ist ja nicht so, als gäbe es im Rhein-Main Gebiet nur einen Radladen! Wir haben hier wirklich zahlreiche Läden zur Auswahl und können deshalb aus dem Vollen schöpfen. Natürlich erwarte ich nicht unbedingt, dass man mir eine ähnlich umfangreiche Beratung zukommen lässt, wie es gestern der Fall war. Aber ich erwarte eine entsprechende Beratung, wenn ich in einen Radladen gehe. Sonst kann ich mich auch selbst einlesen und ein Rad Online bestellen. Das, was der Einzelhandel ja gerade nicht möchte. Unser Weg führt uns in den Norden des Rhein-Main Gebiets. Hier gibt’s einen großen Fahrradhändler mit umfassender Auswahl. Im Gegensatz zu manchen Läden, auch Großen, in Frankfurt, ist es hier regelrecht voll.

An Auswahl mangelt es nicht

In jedem Radbereich, sei es Trekking, Mountainbike, Rennrad oder eben auch Gravel, stehen hier zahlreiche Räder zur Ansicht. Direkt am Eingang liegen Einmal Handschuhe bereit, die man für eine Probefahrt nutzen kann. Wir spazieren ohne große Umwege zum Gravelbike Bereich. Ich weiß ja im Prinzip, was ich suche und bin nun daran interessiert, zu erfahren, was andere Hersteller so zu bieten haben. Gravel ist ja ein breit gefächerter Bereich. Da kann es ja nicht nur einen Hersteller geben, oder? Ich stelle fest, das es sich bei allen Rädern, die ich mir genauer ansehe, ausschließlich um Herrenräder handelt. Jedes Rad ist damit bezeichnet! Gibt’s etwa unterschiedliche Geometrien für Männer und Frauen? Und wenn ja, warum werden in diesem Radladen nur Räder für Männer verkauft?

Nach kurzer Zeit fragt mich ein Verkäufer durch die Blume, ob er mir helfen soll. Die Worte, die er wählt sind etwas weniger auffordernd und lauten: „Du kommst zurecht?“. Mmhh. Meint er damit so generell? Oder wie? Also ich komme in soweit zurecht, sage ich ihm, dass ich lesen kann und hier ausschließlich Räder für Männer rumstehen. „Das ist halt so“ ist sein Kommentar dazu, der mich irgendwie schon auf 180 treibt. Was für eine bescheuerte Antwort. Was soll das? Ich suche aber natürlich weiterhin ein Gravelbike für mich und beschreibe kurz, warum ich eines möchte. Er erfährt von meinem Crosser und der zu sportlichen Sitzposition und hört, dass ich gerne langsamer unterwegs bin, dafür aber überall hoch komme und auch die verschiedensten Untergründe bewältigen möchte. Ich erwähne, dass ich gerne breitere Reifen fahren möchte, als es beim Crosser möglich ist. Leider zeigt mir seine Antwort, dass er mich doch nicht gehört hat.

Schade. Kein Umsatz.

Ich bekomme ein flottes Rad für die Waldautobahnen gezeigt, was richtig Vortrieb hat. Das ist nicht schwer, es steht direkt vor mir, hat aber keine „ich komme überall hoch“ – Übersetzung montiert. Außerdem geht es mir ja nicht um „Schnell“, das hatte ich doch gerade gesagt, oder etwa nicht?

Ich bin weit entfernt davon, dass ich mich bei Fahrrädern auskenne, das muß ich dazu sagen. Die Experten auf dem Gebiet überholen mich rechts und links, während ich das noch nicht mal mitbekomme. Von dem Wissensstand und dem Engagement des Verkaufsberaters bin ich allerdings mehr als geschockt. Meine Fragen sind einfach. Wirklich. Aber sie treiben ihn mehrfach an den Computer um etwas nachzusehen und mir dann doch keine wirklich befriedigende Antwort zu geben. Mein Wissen im Bereich Gravelbikes übersteigt seins. Ganz klar. Und das ohne, dass ich mich anstrenge. Die Räder, die hier für mich in Betracht kommen sind in einem Preissegment von über 3.000 EUR. Das ist für den Verkäufer aber kein Grund mehr Engagement zu zeigen. Wir müssen gehen. Das führt hier zu nichts… schon gar nicht zu einem Kauf.

Experten sind schwer zu finden

Ich sage dem Zeugwart schon im Auto nach Hause, dass wir zur Beruhigung auf jeden Fall noch mal Rad fahren müssen. Ist Fahrradverkäufer ein Beruf, den man erlernen muß? Oder kann das jeder? Es kann ja nun wirklich nicht sein, dass ich mit meinem Wissen einen Profi aussteche! Wir müssen auf jeden Fall zur Entspannung Rad fahren gehen, das ist glasklar. Ich komme über diesen Radladenbesuch nur schwer drüber weg. Über den gestern komme ich übrigens auch nicht hinweg, allerdings in positiver Art und Weise. Tatsächlich schwirren meine Gedanken die ganze Zeit um das OPEN Bike, das ich testen durfte. Ein großartiges Fahrgefühl war das. Einfach prima zu fahren und in jeder Hinsicht grandios.

Radeln erdet

Umgezogen geht’s dann später am Tag mit den Crossern raus. Keine lange Runde, sondern eben passend zum Feierabend. So eine Feierabendrunde beschließt den Tag, ähnlich wie ein Lauf, eben am Allerbesten. Vor allem, wenn man so verrückte Begegnungen hatte, wie ich heute. Jedes Rad in einem Radladen als Herrenrad zu betiteln ist schon speziell. Wir rollen los und ich erfahre sofort die Bestätigung, die ich eigentlich gar nicht mehr brauche. Mein Crosser ist mehr Rennrad als Querfeldeinfahrzeug und hat einfach eine sportliche Sitzposition. Kein Wunder, dass ich ihn jahrelang als Rennrad gefahren bin. Einen direkten Vergleich zu dem Gravelbike von gestern zu ziehen ist wirklich unfair. Es sind einfach zwei vollkommen unterschiedliche Fahrräder.

Man muß nur wissen, welches man fahren möchte. Alles im Leben hat seine Zeit. Ich glaube, meine Crosserzeit ist bald abgelaufen und die Zeit des Gravelns wird beginnen.