Der Coach hat sich mit dem Trainingsplan für das Trainingslager daheim voll auf das Radfahren konzentriert. Zwar mache ich heute früh einen Nüchternlauf, der mir auch ganz schön schwerfällt, aber der ist nur 30 Minuten lang und deshalb ja auch irgendwie zu vernachlässigen. Zurück zu Hause angekommen wird ausgiebig gefrühstückt und dann überlegen wir, dass wir auf die Post warten, ehe wir losradeln. Die Post bringt nämlich meine frisch ausgeliehene GoPro Hero 9. Die 10er-Variante hat ja nur sehr unzuverlässig funktioniert, also habe ich sie bei Grover zurückgegeben. 

Und im gleichen Atemzug dann einfach eine GoPro Hero 9 ausgeliehen und die kommt eben heute per Post. Das passt ganz gut. Im Traininglager auf Mallorca oder auch im Mohrenwirt (das jetzt Hotel Jakob heißt), sind wir zwar immer am Vormittag losgefahren. Aber dieses Jahr ist alles anders, und so passt das einfach genau ins Bild, wenn wir erst Mittags losfahren. Ich ziehe mich wärmer an, als gestern. Also mit Armlingen und Windjacke. Die Sonne versteckt sich nämlich regelmäßig hinter den Wolken und es weht ein empfindlich kalter Wind. Der April gibt heute alles, was möglich ist. Nur Regen bekommen wir höchstwahrscheinlich keinen ab. Man muss auch mal Glück haben. 

Mein Vorschlag war, dass wir zum Main fahren und den dann einfach 1,5 Stunden lang nach Süden verfolgen. Und dann eben umdrehen und entweder auf der gleichen Mainseite, oder auf der gegenüberliegenden Mainseite wieder zurück nach Norden fahren. Der Zeugwart findet das eine gute Idee, schlägt aber vor, dass wir nicht bei uns direkt an den Main fahren, sondern erst noch etwas durch den Wald und das Unterholz graveln. Meine Arme und auch mein rechter Ellbogen, der ja gefühlt monatelang angeschlagen und empfindlich war, freuen sich also auf weniger hubbeligen Untergrund und schon geht’s los. 

Die Strecke bis zum Mainufer zieht sich heute. Das liegt nicht daran, dass das Mainufer nicht in der Nähe ist. Der Grund ist einfach, dass wir immer noch mal hier abbiegen und dort abbiegen und dann weiter fahren, um noch mal ein bisschen weiter vorne abzubiegen. Und zack, brauchen wir eine gute Stunde, bis wir am Mainufer sind. Das hätte ich nicht erwartet. Die Waldstrecke war einfach super und hier am Mainufer trifft uns jetzt der Gegenwind mit ganzer Kraft

Gegenwind schult den Charakter.

Den Spruch habe ich mal gehört und heute habe ich mal wieder Gelegenheit darüber nachzudenken, wer sich diesen bescheuerten Spruch wohl ausgedacht hat. Gegenwind nervt. So sollte der Spruch sein. Das ist die Wahrheit und auch heute wieder eine Tatsache. Am Mainufer windet es ordentlich und natürlich nur von vorne. Ich bin dankbar über die gewonnene Brille, die wirklich riesig ist, aber deshalb auch kein Lüftchen an meine Augen kommen lässt. Mehr als einmal denke ich darüber nach, ob ich mir vielleicht lange Handschuhe anziehen sollte, bleibe dann aber doch bei der Sommervariante. 

Wir beschließen trotz Gegenwind in Richtung Aschaffenburg zu fahren und der Zeugwart teilt mit, dass wir auch wirklich bis nach Aschaffenburg fahren sollen. Das sind aber jetzt immer noch 20 Kilometer. Ich bin davon nicht begeistert. Es ist kalt und windig. Klar, kann ich mir das Wetter in Duisburg auch nicht aussuchen, weil wir nicht bei „Wünsch Dir was“ sind. Aber wir müssen es mit dem Trainingsplan auch nicht übertreiben. Eine Übererfüllung ist sicherlich deutlich sinnloser, als eine Unterfüllung. Übertraining hat noch keinem geholfen. Nach 1,5 Stunden drehen wir deshalb um und haben Aschaffenburg nicht erreicht. 

Mit dem Umdrehen kommt der Rückwind und die Beschleunigung. Allerdings wird es auch noch mal frischer. Wir nutzen den Mainradweg und fliegen teilweise regelrecht über die Strecke. Trainingsplantechnisch machen wir heute erneut eine Punktlandung, auch wenn es nur um die Trainingsstunden geht. Im Anschluss dehne ich noch ausgiebig und dann fallen wir bei den Nachbarn zum Abendessen ein. Ob Gegenwind den Charakter schult, darüber denke ich ganz sicher beim nächsten Mal Gegenwind wieder nach.