Mal ist er nett, mal packt er zu, als gäbe es kein morgen. Mal fühle ich mich besser, wenn ich hinkomme, mal ist es so, dass ich mich beim rausgehen besser fühle. Ich kann meine Aufenthalte beim Aktiven einfach nicht vorherbestimmen. War ich beim letzten Mal noch passend angezogen, weil er gut zugreifen konnte und mein Kleidungsstück flexibel genug war, so bin ich es beim nächsten Mal höchstwahrscheinlich nicht, weil er statt die Vergangenheit zu wiederholen, heute einfach mal was Neues macht. Hier kann man wirklich nicht in gelangweilte Lethargie verfallen. Der Aktive sorgt schon dafür, dass ich immer hellwach bei der Sache bin. Außer aufzupassen, wo es denn vielleicht gerade zwickt oder schmerzt, unterhalten wir uns außerdem meistens recht angeregt.

Ich glaube, das macht der Aktive nur, um mich von eventuellen Schmerzen abzulenken. So stellt er sicher, dass er härter zupacken kann, als er es vielleicht sonst tun würde. Manchmal glaube ich, dass für die Physiotherapeuten die heimliche Regel „viel hilft viel“ greift. Oft ist es bei mir tatsächlich so, dass je schmerzhafter die Zeit beim Aktiven ist, desto besser fühlt es sich im Anschluß oder womöglich am nächsten Tag an. Natürlich werde ich den Teufel tun und ihm das genauso mitteilen! Ich bin ja nicht wahnsinnig. Denn schon jetzt springe ich ihm manchmal von der Liege. Oder maltretiere den Stressball.

Wo isser denn?

Ja. Den Stressball. Wo ist der heute überhaupt? Ich verlasse guten Mutes mein zu Hause und denke, dass der Stressball sich garantiert, wie es sich für einen Physiotherapietag gehört, in der Handtasche aufhält. Und dann das. Ich liege hier beim Aktiven auf der Liege und der Stressball entspannt sich daheim. Unfassbar. So drücke ich abwechselnd meinen Daumen, die Liege, balle meine Faust oder drücke gegen den Aktiven, weil es zur Therapie dazugehört. Und dabei denke ich mir, dass ich ja erfreulicherweise heute schon weiß, dass es mir im Anschluß ganz bestimmt besser geht als vorher. Weil es heute schon eine sehr unangenehme Sache ist, diese Physiotherapie.

Claudi gives it a TRI - Nicht aufgeben

Anfangs, als ich gegen den Aktiven drücken soll, mache ich das wirklich zaghaft. Ich will ihm ja schließlich nicht weh tun. Schmerzen gibt es in diesem Raum weiß Gott schon genug. Irgendwie errät er meine Gedanken und lacht. Ich darf ruhig ganz beherzt nach Leibeskräften drücken. Schmerzen könnte ich ihm keine zufügen, sagt er und lächelt, als hätten es vor mir schon zahlreiche Frauen auf dieser Liege versucht, und keine hatte Erfolg. Oder, er lächelt, weil er weiß, dass ich es derzeit nicht drauf habe und beim Armdrücken gegen ihn sowieso den Kürzeren ziehe? Das Rätsel bleibt ungelöst, aber ich drücke ordentlich. Zumindest fühlt es sich für mich so an. Eigenbild und Fremdbild weichen allerdings ganz offenbar auch in diesem Fall recht stark voneinander ab.

Eigenbild & Fremdbild

Und ich dachte, ich hätte eine ganz gesunde Selbstwahrnehmung. Habe ich aber nicht. Ganz klar. Denn der Aktive muß bei meinen Drückversuchen mit voller Kraft noch nicht mal ansatzweise stark dagegenhalten. Oder so ein Physiotherapeut hat Superkräfte? Das wäre natürlich auch eine ziemlich logische Lösung dieses Themas. Egal, wie er es macht, es gibt sowieso kein zurück. Der einzige Blickwinkel den ich im Moment einnehme ist der, nach vorne, in Richtung Gesundheit und der, in Richtung fit werden. Ich mache natürlich langsam, weil ich verstanden habe, dass alle, die das empfehlen es nur gut meinen und es auch nichts bringt, etwas übers Knie zu stürzen, aber, ich mache. Im Rahmen meiner Möglichkeiten.

Was für ein Arbeitszeugnis keine ganz so gute Bewertung ergibt und ungefähr auf dem gleichen Level erscheint wie „sie war stets bemüht“, ist bei sportlichen Aktivitäten nicht so eine Karriere vernichtende Sache. Sich im Rahmen seiner Möglichkeiten zu betätigen, sich nicht zu unter- aber auch nicht zu stark zu überfordern ist eigentlich eine gute Sache um wieder fit zu werden. Und wenn man dann fit ist, dann kann man seine Fühler weiter in Richtung Überforderung ausstrecken um besser zu werden. Zu schnell ausgestreckt, stößt man sich so einen Fühler auch leicht an, das hatte ich ja gerade erst und ist nicht ganz so toll.

Erfreulicherweise holt der Zeugwart mich heute von der Physiotherapie ab. Ich bin fix und fertig und ich glaube auch nicht, dass ich noch gut selbst heimfahren könnte. Diese Physiotherapieeinheiten sind für mich anstrengender als manche Radtour mit den Männern oder manche Schwimmeinheit in Vorbereitung auf meinen Kraichgau Wettkampf. Ich bin außerdem schon jetzt ziemlich sicher, dass ich morgen ganz heftigen Muskelkater haben werde. Und damit male ich nicht schwarz.