Heute muss ich ins Büro fahren und weil der Verkehr einfach unterirdisch schlecht ist, nehme ich mein Alltagsrad. Wenn ich nach meinem Vormittagstermin mit dem Auto los fahre, dann lohnt sich das nämlich auch nicht mehr wirklich. Die einfache Strecke von deutlich über 40 Kilometern macht in meinen Augen nur Sinn, wenn man auch möglichst lange im Büro ist. Das Rhein-Main-Gebiet ist diesbezüglich wirklich schrecklich. Auch, wenn ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren würde, bräuchte ich 1,5 Stunden. Wenn ich jeden Anschluss schaffe, was natürlich nicht garantiert ist.  Die Pendelzeit mit dem Rad ist absehbar und so wähle ich heute dieses Transportmittel. Als Radpendler habe ich die Zeit einfach selbst im Griff.

Als Routine würde ich die Pendelei mit dem Fahrrad bei mir noch nicht bezeichnen, aber langsam geht es in die richtige Richtung. Die Klamotten in die eine Tasche, die Bürosachen in die andere und mich selbst dann noch entsprechend Wetter-tauglich anziehen und los. Ich bin ein paar Minuten später, als am Freitag und das Wetter ist auch deutlich besser. Das zieht mehr Radpendler an. Oder ist es der Montag, an dem die Menschen noch frisch sind und wo sie eher mit dem Rad ins Büro fahren? Das könnte auch sein. Ich pedaliere durch Offenbach und freue mich wieder, über die aufrechte Sitzposition auf meinem Alltagsrad und darüber, dass ich keinen Rucksack auf habe. 

Die meisten Radpendler, die mir begegnen, fahren mit Rucksack und die Mehrheit davon ohne Licht. Zwar ist es schon dämmrig und natürlich gleich hell, trotzdem finde ich das Licht am Rad keine schlechte Sache ist. Vor allem nicht, wenn man im Straßenverkehr unterwegs ist. Montags scheinen die Autofahrer noch gestresster, als freitags. Zumindest habe ich das Gefühl, als ich vom Mainradweg die derzeit bestehende Umleitung durch Niederrad fahre. Ich stehe mit vier anderen Radfahrern an der Ampel und ich biege rechts ab. Eine ältere Dame will geradeaus und die zwei Herren, die ebenfalls als Pendler zu erkennen sind, biegen auch rechts ab. Die Dame fährt bei Grün geradeaus los und wird fast vom Rad geholt. 

Ein Opel Corsa, der von gegenüber links abbiegt, hat ihr einfach die Vorfahrt genommen. Geblinkt hat der Herr auch nicht. Die Dame fängt sich gut ab und fährt hinter dem Corsa vorbei geradeaus. Wir drei anderen biegen rechts ab und landen damit vor dem Corsa. Als die Fußgänger alle passiert haben, fahre ich los. Ich halte Abstand zu den geparkten Autos und die beiden Herren fahren hinter bzw. neben mir so breit nebeneinander her, dass ein Überholen unmöglich ist. Die Straße ist zweispurig und heute früh viel befahren. Wir kennen uns nicht. Keiner von uns. Aber als Radpendler sind wir offensichtlich füreinander da. Vor allem, wenn es um ein solch gefährliches Verhalten geht. Der Corsa Fahrer hat durch sein Verhalten keine Sekunde gewonnen. 

Ich glaube sogar, dass er viele Minuten verloren hat.

Leider wird das ganz sicher nicht zu einer Einsicht führen, sondern den Groll auf Radfahrer nur weiter ansteigen lassen. Ich bin mir sicher, beim nächsten Mal wird er wieder das Leben der geradeaus fahrenden Radfahrer riskieren und einfach ein Verkehrsarschloch sein, statt zu blinken und die Vorfahrt zu gewähren, wie es die Regel ist. Vermutlich wäre bei der Führerscheinvergabe manchmal ein Wesenstest auch ganz hilfreich? Als es einen baulich getrennten Radweg gibt, verschwinden wir drei Radfahrer von der Straße und dann trennen wir uns auch in verschiedene Richtungen. Die Herren arbeiten offensichtlich in Niederrad. Zumindest biegen sie hier ab. Ich fahre weiter und komme nach der Umleitung wieder an den Mainradweg am Schwanheimer Ufer. 

Ab Höchst bin ich dann wieder im Verkehr unterwegs und hier erlebe ich nur super tolle Autofahrer. Als der Radweg durch einen LKW versperrt ist, macht ein Auto zum Beispiel extra langsam, damit ich auf die Straße wechseln kann. Das ist extrem nett und ich bedanke mich selbstverständlich. Als ich links abbiegen muss, blinkt der Gegenverkehr auf, um anzuzeigen, dass ich fahren soll. Und auch hier bedanke ich mich und freue mich über das Zusammenspiel. Autopendler und Radpendler können im Rhein-Main-Gebiet generell ganz gut zusammen Wege nutzen. Auf meinem Weg gibt es nur wenige Schnittstellen, an denen es kritisch ist. Wenn einen aber jemand umfahren möchte, dann hat man als Radfahrer natürlich verloren. Das ist klar. 

Mein Heimweg verläuft unspektakulär. Wieder in Niederrad überholt mich ein Auto etwas zu eng, nur um dann an der Ampel in 5 Reihe anhalten zu müssen. Auf dem Radweg fahre ich dann wieder vorbei und kann dann, wieder wegen des Gegenverkehrs, von keinem Auto in dem darauffolgenden Stück überholt werden. Ich glaube allerdings auch hier, dass der Autofahrer hier keinerlei Aha-Effekt haben wird. Weder wird er die Sinnlosigkeit seines Überholvorgangs verstehen, noch beim nächsten Mal einfach locker hintendran bleiben. Zum Autofahren gehört einfach so viel mehr, als Gas geben und Bremsen. 

Die Zeit, die ich heute als Radpendler verbracht habe, war großartig. Auf dem Heimweg ist auch wieder ein Stau auf einer der zahlreichen Autobahnen und so bin ich mit dem Rad schneller daheim, als ich es mit dem Auto gewesen wäre. Anstrengend ist die Strecke mit dem Rad trotzdem. Vor allem, wenn es wie heute auch noch windig ist. Ich bin allerdings mit meinem Pendeln heute extrem zufrieden. Und darauf kommt es ja erst mal an.