Eigentlich steht heute ein Radfahrtag im Trainingsplan. Mein Trainer genießt es unheimlich, wenn ich mit dem Rad zur Arbeit fahre. Bei meinen Kollegen bin ich mir nicht sicher, denn ich setze immer unseren Damentoilettenvorraum komplett unter Wasser, weil wir -noch- keine benutzbare Dusche haben, die es meinen Kollegen erleichtern würde, mit mir zusammenzuarbeiten. Heute möchte er also, dass ich mal wieder meinen Arbeitsweg mit dem Rad absolviere. Weil mein Arzt aber für heute früh einen Termin zur Blutabnahme anberaumt hat, kommt zur Arbeit radeln nicht in Frage. Ich kann nach der Blutabnahme nicht losradeln, da würde die Sprechstundenhilfe ja umkippen vor Ehrfurcht und außerdem würde ich es auch gar nicht durchziehen können. Beim Blut abnehmen kippe ich nämlich regelmäßig erst mal um und fühle mich ein paar Stunden wie durch einen Wolf gedreht.

Ich fahre also mit dem Auto zur Arbeit. Aber, ich fahre mit dem Fahrrad wieder heim. Das ist doch mal ein toller Plan und ich schlichtweg begeistert, dass mir das eingefallen ist. Eigentlich hätte ich mir zugetraut, dass ich nicht auf diese Option komme. Kam ich aber.

Also packe ich heute früh vor dem Arzt meine Radklamotten ins Auto, der Zeugwart legt mein Fahrrad hinterher und heute Nachmittag ziehe ich mich dann im Büro um, hole mein Rad und fahre durch die dunkle Garage der Heimat entgegen. Die Garage ist normalerweise beleuchtet, aber ich bin mit dem Rad anscheinend nicht im Abtastgebiet der Bewegungsmelder? Egal, paßt schon.

Es ist ziemlich windig, aber wenigstens scheint die Sonne und es regnet nicht. Gut, dass ich meine Windweste heute früh doch noch geholt habe. Manchmal habe ich Eingebungen. Leider habe ich eine Flasche vergessen. Das merke ich aber erst nach guten 20km, als ich am Main nach unten greife und feststelle, dass der Flaschenhalter leer ist. Nun ja. Das hatte ich anders geplant. Aber da es nur noch 20km bis nach Hause sind, fahre ich nicht an eine Tankstelle, sondern einfach meinen Weg weiter. Ich würde außerdem niemals mein Rad unabgeschlossen irgendwo stehen lassen, ohne es zu berühren. Niemals. Also kommt ein Besuch in einer Tankstelle schon alleine aus diesem Grund per se schon mal nicht in Frage.

Feierabendtour

Ich komme heute kaum flüssig voran. Am Main in Frankfurt nutzen praktisch alle Frankfurter die Gelegenheit des sonnigen Feierabends und schlendern umher. Und sie wollen genießen, ohne große Regeln, das merkt man, wenn man versucht an ihnen vorbei zu fahren. Irgendwie denkt Frankfurt anscheinend, dass alle Radfahrer im Urlaub sind? Zumindest sind die Herrschaften dermaßen überrascht, dass ich wirklich langsam fahre und mich fröhlich pfeifend in die Riege der Sonnenanbeter einreihe. Was macht es schon, ob ich 5 Minuten früher oder später daheim bin… gar nichts. Den Unterschied kennt nur der Trainer, weil er sich vielleicht über das rumbummeln wundert. Wenn überhaupt. Ich fahre trotzdem an manchen Radlern in vierter Reihe vorbei und überhole sie als würden sie stehen oder gar rückwärts fahren. Unfassbar, wie flott 20km/h für Sonnenhungrige Feierabendradler ist. Und ich komme mir vor, als passiert gar nichts. Wahrscheinlich ist genau das das Gefühl, was die Profis wie Kienle oder Frodeno beim Ironman haben, wenn sie in der zweiten Radrunde in Frankfurt durch das Feld der Agegrouper pflügen? Gefühlsaustausch mit Kienle und Frodo… für einen Moment deren Luft schnuppern. Auch so kann man sich 20km/h schön denken.

Als das Frankfurter Mainufer mit seinen Erholungsuchenden hinter mir liegt, kann ich wieder Geschwindigkeit anziehen und versuche Gas zu geben. Leider bläst mir ab sofort ein ordentlicher Gegenwind ins Gesicht, der ganz sicher dazu beiträgt, dass ich noch langsamer werde und der Trainer sich bestimmt tatsächlich über das rumbummeln wundern wird. Ich schaffe es kaum an die 30km/h, zumindest nicht dauerhaft. Oder ich schaue falsch. Kann auch sein. Schon jetzt weiß ich, dass heute, sobald ich daheim bin die Knapp`man anlegen werde. Denn morgen früh geht es ja wieder mit dem Rad zurück zur Arbeit. Immerhin kann ich das Auto ja nicht nehmen, das steht ja  schließlich dort. Und meine Oberschenkel werden es mir danken.

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