Diese Woche ist einfach alles durcheinander. Der einzige, der die Woche im Griff zu haben scheint, ist der Coach mit meinem Trainingsplan. Da ich es am Mittwoch noch ins Schwimmbad geschafft habe, gehe ich heute nicht mehr. Der Coach hat einmal schwimmen auf den Plan geschrieben und freitags ist eh nicht mein favorisierter Schwimmtag. Gestern habe ich einen Gemütsruhetag gemacht. Erstens war ich ziemlich platt vom doppelten Trainingstag am Mittwoch und zweiten hat sich die schlechte Nachricht vom Tod im Freundeskreis bestätigt und das nimmt mich ziemlich mit. 

Statt also heute ins Schwimmbad zu fahren, mache ich das, was gestern auf dem Plan stand und das ist Fahrrad fahren. Rad fahren befreit den Geist, zumindest meinen. Und vor allem dann, wenn es draußen stattfindet. Ich muss nicht sonderlich lange fahren. Gestern stand eine regenerative, entspannte Einheit auf dem Plan. Heute ziehen wir uns kurze Radklamotten an und fahren einfach drauflos. Die Sonne hat schon den ganzen Tag geschienen. Tröstet mich das? Eigentlich nicht. Klar wird die Sonne immer weiter scheinen. Sie nimmt keine Rücksicht. Die Welt dreht sich einfach, egal was so alles passiert. 

In Europa ist Krieg. Die Corona-Pandemie fordert immer noch täglich viele Opfer. Eine gute Freundin ist für immer eingeschlafen. Und der Frühling kommt. Einfach so, wie es jedes Jahr passiert. So, als wäre einfach alles, wie immer. Alles ganz normal und doch ist nichts mehr so, wie es gewesen ist und eine neue Zeit beginnt. Eine Zeit, in der einfach jemand auf der Erde fehlt, der für mich sehr viele Jahre dazu gehört hat. Als absolute Selbstverständlichkeit war sie immer da und jetzt eben nicht mehr. Ich setze meinen neuen Fahrradhelm auf und wir fahren los. 

Mit den kurzen Radklamotten sind wir bestens angezogen. Es ist ein bisschen windig, aber nicht übermäßig. Ich könnte meine Radweste anziehen, aber das ist nicht nötig. Der Frühling zeigt sich von seiner besten Seite. Die Sonne strahlt und im lichten Wald sind wir praktisch überall Sonnenkinder. Da auf dem gestrigen Plan nicht übermäßig viel Radfahrerei drauf gestanden hat, sind wir nicht sehr lange unterwegs. Aber es reicht aus, um mal durchzuschnaufen und neue Kraft zu schöpfen. Weniger traurig macht es mich aber nicht. 

Grravelbikerin auf einem Waldweg

Das wäre aber jetzt auch etwas zu viel verlangt. Immerhin handelt es sich beim Radfahren nicht um ein Wundermittel. Wenn das funktionieren würde, dann hätte das schon längst jemand erfunden. Aber natürlich ist es nicht so. Als ich wieder vom Fahrrad absteige, ist die Trauer noch genauso groß, wie vorher. Die frische Luft hat dennoch gut getan. Auch wenn sie mich nicht spontan befreit und fröhlich stimmen kann. Auf dem Rad habe ich aber die richtigen Worte für die Trauerkarten formulieren können. 

Vielleicht wären mir die ansonsten nicht eingefallen. So eine Trauerkarte kann ja alles aussagen, oder nichts. Sie gehört für die Hinterbliebenen dazu und vor allem, wenn man den Verstorbenen kennt, kann eine Trauerkarte schöne Erinnerungen, Ereignisse oder einfach nur zugehörige Gedanken sortieren und erwähnen. Das hilft dem Schreiber oft und dem Empfänger gibt es das Gefühl, dass man in der Trauer nicht alleine ist. Wenn andere in der gleichen Situation sind, spendet das nicht unbedingt Trost, weil es den Schmerz natürlich nicht lindert, aber wenn man sich nicht alleine fühlt, dann ist das etwas wert. 

Nicht alleine zu sein spendet vielleicht eine andere Art Trost. Da ist sicherlich auch jeder anders. Ich bin mit dem Text auf den Trauerkarten auf jeden Fall sehr zufrieden. Aber auch meine Trauer ist durch das Schreiben nicht geringer geworden.