Wenn ich an meinem Schreibtisch daheim sitze, dann vergesse ich oft die Zeit. Im Büro bin ich wesentlich strukturierter unterwegs und werde natürlich auch regelmäßig von Kollegen unterbrochen. So gut wie nie klingelt mein Telefon, aber mindestens 6-8 mal in der Stunde, kommt ein Kollege rein und hat eine Frage, einen Hinweis oder muß sich nur mal kurz absichern. Und dann werde ich natürlich bei der Essensaufnahme integriert. Und vorher fährt garantiert jemand zum Rewe, um noch etwas zu besorgen. Der Arbeitsalltag zu Hause ist da total anders.

Ich sitze deutlich früher am Schreibtisch und habe vorher schon viel mehr im Haushalt abgearbeitet, als sonst. Hätten wir Gardinen, würde ich die wahrscheinlich auch durchwaschen. So sind alle Kuscheldecken und Sofakissen schon dran gewesen. Bettdecken, Bettwäsche und Handtücher ebenfalls und sogar der Balkon ist bereits gewischt, die Glasgeländer gereinigt und die Kästen vorbereitet. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass es nie wieder so sein kann, wenn der Arbeitsalltag sich zurück zur Normalität verlagert. Oder ist das hier jetzt die Normalität in Zukunft? Wie lange wird das wohl so gehen?

Ein paar Wochen? Monate?

Vielleicht ist das Virus schneller besiegt, als ich es jetzt erwarte. Vielleicht dauert es aber auch deutlich länger? Komme ich dann an meine Belastbarkeitsgrenze? Ich meine, irgendwann ist schließlich alles sauber, sortiert, gewaschen und geputzt. Wir haben keine Kinder, aber auch hier muß ja irgendwann mal wieder Normalität rein… die ganzen Eltern können ja nicht ewig Lehrer sein. Das stelle ich mir sowieso total schwer vor, seine eigenen Kindern zu unterrichten. Oder eben Homeoffice und Kinderbetreuung zu kombinieren. Wirklich funktionieren tut dann ja beides nicht. Ich bin in der glücklichen Position, dass ich das nicht machen muß. Kinderlos im Homeoffice funktioniert der Arbeitsalltag ohne wesentliche Unterbrechungen.

Was die Struktur angeht, führe ich heute erstmals eine richtige Mittagspause ein. Normalerweise schnappe ich mir im Homeoffice eine Kleinigkeit und sitze nach 4 Minuten wieder am PC. Dann esse und arbeite ich quasi gleichzeitig. Auf Dauer ist das keine gute Lösung. Heute beginnt deshalb der strukturierte Homeoffice Arbeitsalltag. Ich realisiere nun auch in meiner kleinen Welt, dass das hier kein Spaß ist, dass ich länger als gedacht ohne meine Kollegen sein werde und dass auch mir, das Virus deutlich gefährlich werden kann. Die Lage ist ernst. Also gehe ich strukturiert vor. Das wird ja wohl zu schaffen sein.

Meine Mittagspause verbringe ich heute auf dem Balkon in der Sonne. Der Zeugwart, der seinen Arbeitsalltag schon immer besser durchstrukturiert hatte, und ich, quatschen, hören den Vögeln zu und essen gemeinsam. Es ist leise draußen, kaum ein Auto ist zu hören, praktisch kein Flugzeug ist am Himmel und über dem Feld kreisen die Raubvögel. Gegen Abend ändert sich der Zustand der Leere allerdings immer schlagartig. Die Menschen strömen dann förmlich auf die Straße, Gruppen von Radfahrern fahren am Feld entlang in den Wald und Trauben von Spaziergängern führen gemeinsam ihre Hunde aus. Ich vermute, wir werden noch alle eingesperrt werden, ähnlich, wie in Italien oder Teilen von Österreich, einfach, weil das Einsehen freiwillig alleine zu bleiben wirklich nur ganz bedingt existiert.

Nach Feierabend will ich rudern heute. Freunde und Verfechter des Rudersports behaupten ja, dass das Rudern praktisch den kompletten Körper trainiert. Jede Hauptmuskelgruppe wird beim Rudern genutzt, so ist es oft zu lesen und ich merke das auch wirklich immer, wenn ich auf dem Rudergerät sitze. Es ist nicht so, dass mir dann alles weh tut, aber ich merke, dass ich schnell angestrengt bin und auch ordentlich aus der Puste komme. Das liegt natürlich daran, dass meine Muskulatur ordentlich Sauerstoff verbraucht, wenn ich sie viel benutze.

Ich rudere heute eine Strecke und achte auf die Technik. Wirklich ein Workout ist das ja dann nicht. Oder etwa doch? Ist so ein bisschen wie beim Lauftraining auch. Manchmal laufe ich einfach nur eine lange Strecke, weil es den Kopf frei macht, oder weil Ausdauer halt auch etwas ist, was man durch Training erreicht. Beim Laufen, wie auch beim Rudern, gibt’s aber natürlich auch die Möglichkeit für Intervalle oder Sprinteinheiten. Ich versuche mich heute mal an einem Mix. Das mache ich beim Laufen ja auch manchmal: Lauf ABC. Eine übliche Trainingseinheit, die auch einfach Techniktraining heißen könnte.

Die Technik beim Rudern ist anstrengend, aber natürlich habe ich schon eine gewisse Routine. Auch wenn die noch nicht so 100% in Fleisch und Blut übergegangen ist. Aber das wird. Und ordentlich anstrengend ist es auch. Umso mehr habe ich mir im Anschluß einen Keks für’s Athletengemüt verdient. Backen erfreut mich immer. Ähnlich wie laufen gehen. Und deshalb habe ich diese Woche einfach ein paar Kekse gebacken. Die gehen ja schließlich irgendwie immer.