Meine Trainingswoche beginnt ja, seit dem ich als Judithathlet aufgenommen wurde, immer am Dienstag. Montags ist Ruhetag, daran hat sich mein Athletenkörper auch bereits gut gewöhnt. Meist ist es so, dass die Müdigkeit der Muskeln dann am späten Montag Nachmittag langsam nachlässt und ich, wenn ich Dienstags aufstehe, praktisch vollkommen erholt bin. Dienstag haben wir derzeit ja Vereinsschwimmtraining, so denken wir das zumindest. Man hätte sich natürlich auch besser informieren können, aber das haben wir nicht, weil wir Probleme erst lösen, wenn sie auftauchen und uns nicht schon vorher verrückt machen.

So treffen wir uns also heute Abend am Schwimmbad und sind voller Vorfreude auf das anstehende Schwimmtraining. Im Gegensatz zur letzten Woche, wo das Becken sehr verlassen in der abgedunkelten Halle lag und irgendwie froh war, dass noch mal jemand vorbei schaut, ist heute hier die Hölle los. Also es ist nicht so, dass die Menschen sich im 25m Becken stapeln würden, aber es ist doch verhältnismäßig gut besucht, für diese Zeit am Tag und vor allem für unsere Erwartungshaltung, dass wir hier in 5 Minuten Vereinstraining haben.

Haben wir nämlich gar nicht. Da müssen wir den Flitzer noch mal befragen. Immerhin hätte der uns ja auch mal Bescheid geben können, als wir uns heute früh allesamt fröhlich zum Training verabredet haben. Aber gut, jetzt sind wir schon mal da und der nette Bademeister teilt mit, dass wir eigentlich nicht schwimmen dürfen. Ich frage, ob ich wenigstens meinen 100m Test schwimmen darf, den die Chefin mir auf den Plan geschrieben hat. Da in seinen Augen im Schwimmbecken nichts los ist, bejaht er und so gibt es heute eine schwimmende Judithathletin und vier Vereinszuschauer, die mein Tun betrachten. Vorher verabschiede ich mich schon mal von allen, ist ja keine Pflicht auf meinen Test zu warten.

Wer weiß, wie lange so ein 100m Test dauert? Ich schwimme mich erst mal ein. In einem Becken ohne Leinen ist die Standortbestimmung ja erst mal entscheidend. Es ist wichtig, dass jeder Schwimmer wenigstens so ungefähr weiß, wer wo langschwimmt und wie. Bringt ja nichts, wenn man sich ständig in die Quere schwimmt. Die Nixe im Schwimmbad in Höchst hat das ja noch nicht begriffen, aber ansonsten ist das irgendwie allgemein bekannt. Erfreulicherweise. Ich schwimme am Rand entlang und mache mit meinen Rollwenden sicherlich bei den ganzen Brustschwimmern ziemlich was her. So kommt mir auch tatsächlich keiner in die Quere und in nur wenigen Minuten habe ich meine Bahn abgesteckt und kann ohne Zwischenschwimmer auch ohne Leine prima hin und verschwimmen.

Den 100m Test interpretiere ich so, dass ich 100m, also im 25m Becken viermal hin und her, so schnell wie irgendwie möglich schwimmen soll. All out sagt der Profi, zackig der Bademeister und FF die Tricamper. Ich muß also einfach alles geben. Die Chefin will danach die Zeit haben. Ich schätze, ich brauche 2 Minuten. Auf der Arbeit heute Vormittag hat Walter Mitty in voller Überzeugung mitgeteilt, dass ich eine Zeit zwischen 1:40Min/100m und 1:45Min/100m zu schwimmen habe, alles andere sei nicht akzeptabel. Oder so ähnlich. Na, wenn er da mal nicht etwas hoch gegriffen hat? Ich warte also, bis die Uhr eine passende Zeit zeigt, die ich mir auch merken kann, bringt ja schließlich nichts, wenn ich irgendwann losschwimme, alles gebe und am Schluß doch nicht weiß, wie schnell ich war.

Die Vereinskollegen unterhalten sich angeregt am Beckenrand und da will ich jetzt zur Zeitnahme auch nicht stören. Die Mitschwimmer im Becken denken sich sicherlich ihren Teil, dass da vier sitzen und einer quasi fünffach beaufsichtigt schwimmt. Der Bademeister ist nämlich ebenfalls anwesend und umrundet das Becken regelmäßig. Vielleicht seine Art auf ein paar Schritte zu kommen. Bei einem 25m Becken bekommt er da sicherlich auch öfter mal einen Drehwurm. Der Vorteil an der Uhr an der Wand ist, dass ich bei jeder Atmung zu dieser Seite die Uhr sehen kann und mir ausmale, dass ich dann ja ggf. noch Gas geben könnte. Mmhh. Die Hoffnung stirbt zuletzt halt. Schon lustig, was man sich so im Vorhinein alles denkt.

Ich absolviere die 100m in 1:44 Minuten. Gerade noch in Walter Mitty’s Ansage und viel schneller, als ich dachte. Krass. Ich bin allerdings auch ziemlich aus der Puste, das heißt, egal, was die Uhr angezeigt hätte, eine zusätzliche Beschleunigung wäre schlichtweg nicht möglich gewesen. Ich bin realistisch. Der Zeugwart fragt mich, ob ich mein Spray genommen habe. Natürlich nicht. Das Spray ist ja für das Training, ein Test soll ja doch die Leistungsfähigkeit so zeigen, oder nicht? Da ich ja jetzt einen Wert habe, nehme ich das Spray dann eben doch mal und schwimme noch ein bisschen hin und her. Dann starte ich einen erneuten Test und bin 3 Sekunden schneller. Ich glaube aber nicht, dass das was mit dem Spray zu tun hat. Das wäre ja Magie. Vielleicht habe ich vorhin oder jetzt auch nicht richtig geschaut? Oder ich schwimme immer besser, je länger ich schwimme? Quasi wie Warmschwimmen?

Ich schwimme mich noch kurz aus und gehe dann duschen. Ich habe das Gefühl, es war nicht ganz so, wie die Chefin sich das Training heute vorgestellt hat, aber immerhin bin ich im Wasser gewesen und etwas geschwommen. Und die 100m Zeit habe ich auch ermittelt. Es hätte auch alles anders kommen können.