Temperaturmäßig bin ich heute scheinbar nicht so ganz auf der Höhe, als ich bei morgendlichen 25°C aus dem Haus trete und eine Jacke mitsamt Halstuch trage. Noch bevor ich das Auto erreiche reiße ich mir förmlich die Klamotten vom Leib und überlege, ob ich den Neo heute überhaupt anziehen kann, denn was morgens 25°C sind, können am späten Nachmittag ja gut und gerne 30°C werden. Und in der Sonne ist es dann nochmals wärmer… logisch. Bis ich mir das allerdings überlegen muß, arbeite ich eine ganze Liste von Erledigungen ab und fahre arbeiten. Heute bin ich wirklich extrem produktiv, hätte ich gar nicht gedacht, so gleich nach dem Aufstehen. Aber ich beschwere mich mal nicht, solche Tage darf es ruhig auch mal geben und dann nutze ich die eben wirklich aus.

Auf der Arbeit läuft es auch extrem. Ich arbeite ziemlich viel weg und als ich mich dann um kurz nach 5h in meinen Triathlonanzug werfe, fühlt es sich an, als hätten wir erst 11h, so frisch bin ich. Die Schlange am See ist erfreulich kurz und nachdem uns Carla Columna wegen überhöhtem Arbeitsaufkommen seetechnisch im Stich lassen muß, halte ich in der Ferne Ausschau nach Walter Mitty. Der genießt heute nämlich ein Training mit dem SchwimmGuru, der ihn in die Geheimnis der Orientierung im Wasser einweihen wird. Walter Mitty schwimmt nämlich nie so wirklich gerade und könnte wahrscheinlich noch viel schneller sein, als er es sowieso schon ist. Noch schneller? Manchmal ist es auch nicht so gut, wenn man von guten Sachen, wie dem SchwimmGuru erzählt… dann bin ich auf einmal irgendwann ganz alleine auf der Strecke, weil alle schneller sind, als ich. Na ja. Heute habe ich ganz bestimmt erst mal ziemlich viel Athleten um mich rum.

Der Zeugwart und ich ziehen uns an. Am Auto. Ich komme erstaunlich gut in den Neoprenanzug. Mittlerweile waren wir ja auch schon öfter bei der Swimnight und dementsprechend könnte man auch schon fast von Routine reden, wenn ich einsteige. Heute kleben wir die Rechtsherzkatheter Einstichstelle am Hals noch mit einem Pflaster ab. Sieht zwar schon ziemlich gut aus, aber wenn ich mir jetzt, vollkommen wider aller Erfahrungen, die ich bisher mit meinem Neoprenanzug gemacht habe, eine Scheustelle hole, wäre das ja total ätzend. Also abkleben und zusätzlich den Hals mit einem Antischeuermittel einschmieren. Erfreulicherweise haben wir sowas kürzlich als Probe bekommen und das Sachet tut heute für den Zeugwartschen Hals und meinen sehr gute Dienste. Und wir brauchen das glitschige Zeug auch gleich auf, so dass wir nichts ungebraucht wegwerfen müssen, oder womöglich noch wieder einpacken. Damit es dann überall rumsuppt.

Unten am See schlüpfe ich in die Ärmel meines Neos, dabei fällt mir auf, dass mein Athletenkörper viel zu kurz für den Neo ist, weil er praktisch niemals so, wie auf dem Bild zu tragen ist. Vielleicht bin ich auch einfach nur unförmig? Um für die Firma Werbung zu laufen, müsste der Innenaufdruck für meinen Neo deutlich anders platziert sein. Aber egal. Mich fragt ja keiner und da von außen auch schon oft genug draufsteht, was das für ein Hersteller ist, dürfte es auf diesen einen Hinweis dann auch nicht ankommen. Nachdem der Zeugwart meinen Neoprenanzug zugemacht hat, marschieren wir ins Wasser und fluten den Neo ordentlich. Ganz schön frisch, wenn man in der Neoprenhaut ein bischen in der Sonne rumgestanden hat. Aber ich aklimatisiere mich schnell. Gut so, denn nachdem wir alle instruiert wurden, dass der Weltmeister heute mit Anwesenheit glänzt, gibt’s auch schon den Countdown und wir dürfen alle losschwimmen. Ich warte ein bischen und mache ich dann auch auf den Weg.

Erfreulicherweise haben einge Athleten genau auf diesen Moment gewartet und ich habe wunderbare Erfolgserlebnisse, während ich zur ersten Boje unterwegs bin. Ich bin wie beflügelt! Erneut kann ich alles, was der SchwimmGuru mir für die Orientierung und den Beinschlag beigebracht hat wunderbar umsetzen. Heute ist ein großartiger Schwimmtag! Ich schaue nach vorne, knapp über die Wasseroberfläche, komme nicht aus dem Rythmus und habe eine tolle Zeit. Ich überhole reihenweise Schwimmer und zwar genau so, wie ich es beim SchwimmGuru gelernt habe. Ich entdecke den Schwimmer beiläufig, während ich mich sowieso regelmäßig orientiere, dann nehme ich etwas Fahrt auf und schwimme in die Blasen hinein, die er mit seinen Füßen fabriziert. Dann pirsche ich mich seitlich am Unterschenkel bis in Kniehöhe entlang und schwimme etwas im Sog mit, bis ich dann vorbei schwimme, weil ich den nächsten Schwimmer entdeckt habe. Der absolute Hammer und tatsächlich etwas, was heute bei mir grandios funktioniert. Außerdem fällt mir auf, dass ich viel besser Luft bekomme, als beim letzten Schwimmen.

Sitzt der Neo besser? Wahrscheinlich nicht. Das hat sicherlich auch etwas mit dem Inhalieren zu tun. Beim Schwimmen ist mir die Kurzatmigkeit noch nie aufgefallen, jetzt ist es aber ein Unterschied, wie Tag und Nacht. Total super. An der ersten Boje habe ich soviele Schwimmer überholt, dass ich Oberwasser bekomme und einfach weiter geradeaus schwimme. Ich bin an einer Gruppe von drei Schwimmern dran, die das tut und sie ziehen mich einfach mit. Ich muß wirklich wenig machen, und schwimme trotzdem richtig flott. Wir schwimmen an weiteren Athleten vorbei und lassen sie buchstäblich stehen, es ist ein tolles Gefühl. Als wir die zweite Boje, ganz hinten auf dem See erreichen, überkommt es mich aber. Der Blick zum nahe gelegenen Ufer ist überwältigend und der Blick zurück lässt die Tränen fließen. Irgendwie dachte ich nicht, dass ich so schnell mal wieder die große Runde in Angriff nehmen würde und ich hätte auch nicht gedacht, dass es mir so leicht fällt. Die arme Frau auf dem Sicherungssurfbrett weiß wohl gar nicht wie ihr geschieht, als ich mich kurz festhalte und ein paar Tränchen verdrücke. Nach ein paar Minuten habe ich mich dann auch wieder gefangen.

Und dann schwimme ich durch das wellige Stück bis zur nächsten Abbiegeboje und dann einfach wieder zurück zum Ufer. Ich bin eine gute halbe Stunde unterwegs und schnappe mir auch auf den letzten Metern noch ein paar Athleten. Und tatsächlich kann ich auch die Weltmeistertipps zweimal anwenden, weil mir ein komplett orientierungsloser Athlet zweimal quer direkt vor die Nase schwimmt. Statt anzuhalten, schwimme ich einfach über seine Beine drüber und habe wieder einen freien Weg. Der Herr ist wirklich sehr ambitioniert, aber eben total orientierungslos. Eigentlich schade, denn der wäre garantiert super flott, wenn er halt nicht ständig zick zack schwimmen würde.

Am Ufer empfangen mich die Herrn Zeugwart und Mitty und wir marschieren zur Schlüsselabholung und dann zum Auto. Ich habe keinerlei Scheuerstellen am Hals und bin hochzufrieden mit meiner heutigen Schwimmaktion. Vor allem, dass ich diese tolle Gruppe gefunden habe und mir das richtig viele Körner gespart hat, die ich dann auf dem Rückweg einsetzen konnte, das finde ich toll. Es ist einfach wunderbar, wenn ein Plan so aufgeht und meiner mit dem SchwimmGuru hat offenbar genau das gemacht. Manchmal braucht es Glück und den richtigen Trainer. Denn am Talent kann es bei mir ja nicht liegen, das ist klar.