Gestern hatte ich Ruhetag. So hat es die Chefin auf meinen Trainingsplan geschrieben. Als hätte sie es gewusst. Ich hatte nicht nur ordentlich müde Beine, sondern ich war zusätzlich von früh bis spät unterwegs und Sport hätte auch nicht wirklich rein gepasst. Heute dagegen hat die Chefin schwimmen auf den Plan geschrieben, weil wir heute üblicherweise Vereinsschwimmen haben. Der Verein ist heute aber nicht sehr schwimmaktiv. Ganz im Gegenteil bleiben heute wirklich alle trocken und ich bin sehr froh, dass Walter Mitty mich fragt, ob ich mit ihm seine letzte Freiwassertrainingseinheit absolvieren möchte.

Im Freiwasser schwimmt man für gewöhnlich zu zweit. Nicht, dass man die ganze Zeit nebeneinander herschwimmen muß,  aber die Seen bei uns sind übersichtlich, so dass man auch mit ordentlich Abstand immer feststellen kann, ob der Andere noch schwimmt oder es vielleicht ein Problem gibt. Ich schwimme ja eh nicht so schnell wie der gut trainierte Walter Mitty, aber darum geht’s auch nicht. Heute früh packe ich also meine Schwimmsachen ins Auto. Inklusive Neoprenanzug und Boje. Ich nehme außerdem mein Schwimmzeug für die Halle mit, falls es nämlich unvorhergesehene Wetterkapriolen gibt, und wir nicht im See schwimmen können, ist die Ausweichmöglichkeit zumindest mal gegeben. Ob wir dann in ein Hallenbad gehen, können wir ja dann immer noch sehen, wenn es soweit ist.

Erfreulicherweise ist das Hallenbad raus, als wir uns zum schwimmen im Büro umziehen. Von den angesagten Gewittern ist hier nichts zu sehen und so ist klar, dass wir das geplante Freiwassertraining durchführen können. Allerdings fahren wir zur Abwechslung mal nicht an den Langener Waldsee, sondern nutzen den Feierabendtarif im daneben gelegenen Walldorfer Badesee. Der ist deutlich günstiger, aber auch kleiner, als der Waldsee in Langen. Allerdings hat auch der Langener Waldsee, jetzt da die Swimnights vorbei sind, eine sehr straff gesteckte Schwimmzone, so dass es wahrscheinlich fast gehupt wie gedupt ist. Die beschwimmbare Strecke könnte fast gleich groß sein, schätze ich. Da es aber egal ist, weil wir den Walldorfer See ausprobieren möchten, mache ich mir nicht noch mehr Gedanken darüber.

Wir ziehen uns am Auto um, legen die Bojen an und marschieren zum See. Ich war hier schon mal beim Möwathlon. Das ist aber Jahre her. Gefühlt extrem viele Jahre, real tatsächlich immerhin 5. Wir gehen heute am gleichen Strand ins Wasser, an dem alle Athleten ins Wasser reingehen. Hier sieht’s aus wie im Aquarium meiner Eltern. Unfassbar, wie viele Pflanzen hier am Ufer rumstehen und irgendwie könnte ich ja hier schon ahnen, dass mir auch ein paar im Wasser selbst begegnen werden. Aber so weit denke ich nicht. Warum auch immer. Ich schwimme los, hinter Walter Mitty her und peile ein Schild am Ufer an, dann das nächste und so weiter. Ich versuche den See weitestgehend in Ufernähe zu umrunden. Und während ich noch davon überzeugt bin, dass ich heute ganz prima hier rumschwimmen kann, greife ich das erste Mal in die Wasserpflanzen und erschrecke mich furchtbar.

Das ist mir ja schon ewig nicht mehr passiert. Im Langener Waldsee gibt’s sowas nicht, denn da, wo wir rumschwimmen, ist der See zu tief. Oder meine Arme sind nicht lang genug, das ist auch immer möglich. Der Effekt ist aber der Gleiche, ich greife dort niemals in Pflanzen. Hier passiert das tatsächlich öfter, die Pflanzen merke ich nicht nur mit den Händen, sie streifen mich auch am Kopf und habe mehrfach das Gefühl, dass etwas nach mir greift. Natürlich greift da nichts, aber wenn man sich in so einer Pflanze verfängt, ist das einfach ein blödes Gefühl. Ich versuche meinen Kopf in den Griff zu bekommen, aber das klappt nicht die ganze Zeit. Ich muß mehrfach absetzen, aufhören, durchatmen und mir meinen Kopf frei denken. Aber dann klappt es auch wieder.

Ich schwimme eine gute Dreiviertelstunde und umrunde den See, schwimme die Strecken, die ich mir auswähle relativ gerade und wechsel immer mal zwischen Orientierungsschwimmen und unterschiedlichen Kraulmanövern. Der SchwimmGuru hat mir da ja ein paar Varianten beigebracht und einfach nur Strecke schwimmen finde ich irgendwie langweilig. Auch wenn sich die Wasserpflanzen und Fische um etwas Abwechslung bemühen. Ich schwimme also mit Blick zu einem Schild am Ufer und atme nur rechts, oder nur links oder mache mal viel oder weniger Beine. Walter Mitty ist irgendwie ganz woanders mittlerweile, aber beim orientieren sehe ich seine orange Tricamp Badekappe immer mal wieder in Bewegung. Sein Neo mit dem passenden organgen Streifen am Arm ist ebenfalls gut sichtbar, der schwimmt also weiterhin fleißig. Die Pflanzen scheinen ihn auch überhaupt nicht zu beeindrucken.

Meine Strecke kreuzt ein anderer neorpenbekleideter Schwimmer mit grüner Badekappe. An den hänge ich mich ran, denn ich hoffe, dass der alle Pflanzen auf seinem Weg abgrast und deshalb mein Weg in seinem Wasserschatten frei ist. Das ist zwar mehr Hoffnung als Tatsache, aber es macht Spaß hinter ihm und neben ihm zu schwimmen und weiterhin die Orientierung im Auge zu haben. Mit nahendem Ufer wird er aber langsamer und deshalb biege ich ab und schwimme etwas anders zurück zum Ufer, wo unsere Sachen liegen. Der Mörfelder Badesee hat mehrere Strände, jetzt, wo ich die sehe, erinnere ich mich auch. Leider schwimme ich hier wieder durch regelrechte Wälder an Wasserpflanzen, aber gut. Die können den See ja schlecht mähen, nur weil ich hier auch mal schwimmen gehe. Das verstehe ich.

Ob dieses Freiwassertraining den gewünschten Effekt hat, den sich die Chefin mit ihrem Schwimmtraining auf dem Plan erhofft hat, weiß ich natürlich nicht. Die Rückmeldung zum Trainingsplan mache ich ja erst, wenn der ganze Plan abtrainiert ist am Sonntag. Da wir aber derzeit noch einen Eingewöhnungsplan machen, könnte ich mir auch vorstellen, dass es nicht ganz so schlimm ist. Immerhin bin ich ja geschwommen.