Heute eröffnen wir endlich die Freiwassersaison. Nachdem Walter Mitty das bereits letzte Woche gemacht hat und auch der Flitzer seinen Athletenkörper bereits im See nass gemacht hatte, folgen wir heute endlich dem Trend und packen das Auto. Freiwasserschwimmen hat irgendwie was von Auszug, zumindest sieht das so aus, als wir heute früh das Auto verlassen. Die Neoprenanzüge sind jeder für sich schön wintertauglich verpackt, die Tasche ist noch steif von zusammengelegten Handtüchern und alle Fächer sind ausgenutzt und die Seeschuhe sind noch im großen staubfrei Sack. Spätestens heute Abend am See, werden sich die Verpackungseinheiten verringern, da bin ich sicher.

Jetzt sieht’s im Auto des Zeugwarts aber erst mal spannend aus. Er versichert mir aber, dass er nicht vorhat auszuziehen. Das ist aber schön. Am frühen Nachmittag stimmen wir uns dann  wettertechnisch ab. Bei den Sailfish Swimnights ist das nämlich immer so eine Sache mit dem Wetter. Die Methodik ist etwas eigenwillig, denn man zahlt einen Beitrag für die Swimnights, der die Streckenführung inkl. Aufbau und die Sicherung betrifft und dann zahlt man noch den Eintritt zum Langener Waldsee und wenn man mit dem Auto kommt, kostet das Parken ebenfalls. Eintritt und Parkgebühr kassiert immer der Betreiber des Waldsees. Einen Sondertarif für die Teilnehmer der Sailfish Swimnights gibt es dabei nicht. Ein sehr gutes Geschäft für alle, außer die Athleten, wenn es Gewittert und der See gesperrt wird. Dann nämlich gibt’s kein Geld zurück und schwimmen darf man verständlicherweise auch nicht.

Nachdem wir aber heute beschließen, dass jedes Wetter heute angewendet wird, außer Gewitter, fahren wir zum See und es ist erfreulich wenig los, als wir uns anmelden. Im Gegensatz zu den letzten Jahren, wir sind mittlerweile im 9. Teilnahmejahr, denn da war der Himmel klar und sonnig und dementsprechend strömten die Athleten alle in Massen hier her. Heute verteilt es sich gut und wir treffen ein paar Bekannte, ehe wir uns in die Triathlonanzüge und dann in die Neos schaffen. An kurze Fingernägel hätte man auch mal denken können, oder an die Matte zum draufstellen… aber das ist ja wirklich in jedem Jahr so. Es ist beim ersten Mal immer, als hätte man es noch nie gemacht und zack hat man beim zweiten Termin schon so viel Routine, als wäre man im Neoprenanzug am Langener Waldsee geboren.

Vielleicht geht’s auch nur mir so? Als ich es dann ohne Handschuhe und ohne Plastiktüte in den Neo geschafft habe und auch mit Badekappe, Uhr und Schwimmbrille ausgestattet bin, fällt mir auf, dass ich meinen Brustgurt nicht anhabe, um den Puls zu nehmen. Erfreulicherweise beschließen wir alle, dass der Puls beim ersten Mal Freiwasser nicht wirklich entscheidend ist und wegen den Themen erstes Mal Freiwasser, Orientierung, schlechtere Sicht als im Pool und viele Menschen und ich den Pulsgurt also nicht noch nachträglich anlege. Das wäre aber auch ein Akt gewesen.

Wir pilgern zum See, wässern den Neo und zuppeln den nochmals richtig zurecht. Ah… jetzt sitzt er auch noch eine Ecke besser… und ich dachte schon, ich wäre gewachsen! Bin ich aber nicht. Nach ein paar Einweisungsminuten und Hinweisen auf die Lockerheit der Veranstaltung, geht’s dann auch schon los. Ganz verhalten schleichen sich die Triathleten nach vorne, einige schwimmen wirklich ganz zaghaft los, andere schauen sich mehrfach um, ob der Nebenmann denn nun wirklich wartet oder ob man doch besser selbst noch etwas länger am Ufer stehen bleibt. Ich starte meine Uhr und schwimme los. Meine Schwimmtrainings mit dem SchwimmGuru sind ja schon ein bischen her, aber auf einmal ist es, als wäre es gestern gewesen. Ich höre ihn in meinem Kopf, als wäre er direkt hier neben mir, als wären wir im Training. Die Stimme ist allgegenwärtig… „schieb Dich vorwärts, was macht Deine Hand, was macht Dein Arm, schleich Dich ran, nutze den Sog“… ich weiß auf einmal ganz genau, was wir in den letzten Einheiten für das Freiwassertraining trainiert haben und warum.

Also das hätte ich wirklich nicht gedacht, obwohl mir schon klar war, dass ich schneller geworden bin. Das Schwimmtraining beim SchwimmGuru hat mir mords was gebracht, aber eigentlich bin ich sehr vergesslich und kann mir gerade solche Techniksachen nicht besonders gut merken. Und jetzt das! Ich kann alles abrufen. Das ist einfach wunderbar. Ich schwimme und bin auf einmal mitten in einem Pulk, wie unangenehm. Alle schlagen wir verrückt auf’s Wasser ein und ich finde das sehr unschön. Also beschleunige ich etwas, orientiere mich währendessen und bin schon raus aus der Athletenansammlung. Einfach so. Ich bin denen einfach weggeschwommen. Einer haut mir zweimal auf die Füße, aber da gebe ich noch mal kurz etwas Gas und dann hab ich auch den abgehängt. Da ist auch schon die erste Boje und die Wende klappt super. Ich orientiere, wir wir das im Becken geübt haben, der SchwimmGuru und ich, und zwischendurch mache ich mal etwas schneller, wenn ich an einen Schwimmer ranschwimme. Dann nutze ich dessen Sog, sauge mich ran und … schwimme vorbei. Unfassbar. Also ich weiß gar nicht, was ich davon halten soll. Ich schwimme vorbei, glaubt das jemand? Kann das hier im See denn irgendjemand SEHEN? Ich glaube das ja selbst kaum. An der nächste Boje geht’s wieder links ab zurück zum Ufer, wo ich mich auch von Schwimmer zu Schwimmer weiter vor arbeite.

Heute schwimmt es sich wirklich, wie ein Karpfen. Zumindest fühlt es sich fischig an. Jetzt bin ich auch richtig warm geschwommen und nutze auch meine Beine. Da war doch eben noch jemand auf der rechten Seite, wo ist der denn jetzt hin? Ah, ziemlich weit hinter mir. Ich habe das Gefühl, dass es jetzt etwas unwirklich wird. Ist ja nett, dass hier alle langsam unterwegs sind, damit ich mich gut fühle, aber so ist es doch etwas extrem. Am Ufer treffe ich auf den Zeugwart, der feststellt, dass ich ganz schön flott unterwegs sei. Herrlich, es ist also eine Tatsache und nicht eingebildet. Der Zeugwart teilt mit, dass für ihn heute Schluß ist. Er ist aber bereit noch mal auf mich zu warten, und so schwimme ich einfach so noch eine Runde. Ich fühle mich grandios. Auf dieser Runde werde ich zwar auch ab und an selbst überholt, aber ich nutze die Gelegenheiten und hänge mich an die schnelleren Schwimmer ran um so ein bischen in deren Wasserschatten mitzuschwimmen. Dabei haue ich allerdings keinem auf die Füße, ich hänge eher so rechts neben dem Knie und Unterschenkel und schwimme einfach mit. Und das klappt tatsächlich auch ganz gut.

Zurück am Ufer warten wir noch auf den Rest unserer heutigen See-Gang und als alle wohlbehalten wieder draußen sind, ziehen wir uns um und fahren zum obligatorischen Freiwasserschwimmversorgungsbetrieb, der Pizzeria Tevere. Dort erwartet man uns bereits voller Vorfreude. Nach Jahren des Seetrainings, kennt man uns hier eben. Ich freue mich sehr, dass es endlich wieder losgeht mit dem Freiwasserschwimmen… Kacheln zählen ist nett, aber im See zu schwimmen ist einfach viel toller!