Gut, dass die Chefin, die auch gleichzeitig die Köchin ist, immer meinen Geschmack trifft und auch immer ausreichend essen zur Verfügung steht, so habe ich jeden Abend das Gefühl, alle Tanks wieder auffüllen zu können. Und morgens kann ich passend zu den Herausforderungen des Tagesplanes alles einlagern, was ich vielleicht brauchen könnte. Heute ist mir das noch unklar, denn wir fahren heute mal wieder mit dem Hünen und der steht später auf als wir, frühstückt weniger und füllt sein Trikot dann lieber mit Bananen auf. Das könnte mir zu denken geben.

Tut es aber nicht. Ich nehme einfach an, dass die jungen Leute das mit dem Frühstück heutzutage eben einfach anders sehen und packe keine Bananen ein. Wir haben heute eine verdächtig lange Tour vor uns. Der Hüne will nach Randa und von dort einen Blick auf die Schinkenstrasse werfen. So sind sie eben, die jungen Hünen. Unsere Gruppe hat sich vom gestrigen Bergtraining in Form von Trainerjagd und Hügelsprints ganz gut erholt und so stehen wir pünktlich um 10h zur Abfahrt bereit. Die Chefin betont mehrfach, dass sie heute ihre Ruhe braucht und wir bloß nicht zu früh zurückkommen sollen und ich habe den Eindruck, der Hüne will ihr gefallen und nicht in Ungnade fallen. Zumindest stimmt er zu, dass es bis zum Wiedersehen eine Weile dauern wird und steckt sich zur Sicherheit noch ein Käsebrötchen ein.

Sollte mich das stutzig machen?

Wir rollen heute knappe 40km quer durch die Insel, finden kleine, hübsche, autofreie Strassen und genießen die schöne Landschaft. Ich unterhalte mich blendend mit der Hübschen und die Strickliesel und ich fahren ebenfalls gefühlte Stunden einträchtig nebeneinander her. Mit der Hübschen komme ich allerdings auf mehr dumme Gedanken. Wir haben so richtig viel Spaß und genießen diese gemeinsame Radausfahrt sichtlich. Mehr gelacht als heute habe ich selten auf dem Rad. Wir sind einfach die coolsten. Der Hüne sagt die Richtungswechsel rechtzeitig an, er führt vorausschauend und weise, als würde er schon immer gackernde Damen auf Rennrädern durch die Insel führen. Dabei tut er das für gewöhnlich nicht. Als angehender Lehrer ist er aber unheimlich geduldig, was in der Zusammenfahrt mit uns ein deutlicher Vorteil ist.

Leicht angehügelt schlängeln wir uns mit anständiger Geschwindigkeit, und für mich denkbar unanstrengend, in Richtung Randa… und weil schon länger nichts lustiges mehr passiert ist, beschließe ich, dass ich die letzten Meter dieses Anstieges einfach mal lustig -und vor allem entspannt- pfeifend am Hünen, der an erster Stelle fährt, vorbei fahre. Sehr zu unser aller Amüsement. Der Hüne ist leicht überrascht, die Hübsche und ich lachen uns tot und die ganze Gruppe muß kurz nach der anschließenden Abfahrt, die ein paar Fliegen dank meines Lachens noch das Leben kostet, einen Stich rauffahren. Der Zeugwart behauptet, dass der Hüne den Stich nur ausgewählt hat, weil ich gepfiffen habe. Dabei versteht der Hüne Spaß! Ich glaube, er hat den Stich ausgewählt, weil wir einfach die Besten sind und so ein Stich uns nicht umwirft.

Hier, am Café machen wir eine kurze Teilnehmersammlung und erfahren, dass wir jetzt einfach auf den Tafelberg rauf fahren oder hier unten bei Mandelkuchen warten können. Der Hüne empfiehlt allerdings erst den Berg in Angriff zu nehmen und im Anschluß den Kuchen einzufahren.

Mallorca

Also fahren wir erst mal hoch. Ich werde vom Hünen begleitet, der glaubhaft versichert, etwas für seinen Gleichgewichtssinn tun zu müssen und deshalb neben mir herkrebst. Er versucht krampfhaft nicht umzukippen. Während unser Gesetzeshüter mit seiner Zeitfahrmaschine im Café sitzt und auf unsere Rückkehr wartet, brennen wir, also der Rest der Radgruppe, unsere Marke in den Asphalt. Am Hünen und mir schießen drei Radfahrer den Berg rauf, die uns beide noch langsamer erscheinen lassen, als wir es mit unseren knappen 10km/h eh schon sind. Die drei tragen Movistar Hosen und jagen an uns vorbei, als würde die Milch oben am Berg überkochen, wenn sie nicht gleich da sind. Unfassbar. Und alle drei zusammen wiegen inklusive ihrer Fahrräder weniger als mein Rad von Mallorcas Radkönig. Grob geschätzt.

Der Hüne wird unruhig und fährt ihnen hinterher. Wahrscheinlich ist eigentlich er für die Milch verantwortlich und nicht die drei Movistars? Weiß man so jetzt ja nicht. Ich zumindest war nicht involviert. Die Hübsche holt von hinten auf. Das bin ich gewöhnt, schon bei den letzten Touren hat sie mich am Berg immer irgendwann einkassiert. Weil sie es einfach drauf hat. Heute bleibe ich ein bisschen an ihr dran und wir überholen gemeinsam die drei Milchköche in ihren sportlichen Movistarhosen.

Tatsache

So ist es wirklich. Die drei Milchköche fahren langsamer als die Hübsche und ich, pfeifen auf den letzten Löchern und hängen voll in den Seilen. Das ist doch ein Ding! Ich erkenne sofort, dass das eine verkehrte Welt ist und dass die Milch mit deren Geschwindigkeit jetzt niemals vor dem Überkochen bewahrt werden kann. Bei Milch kommt es auf Sekunden an und da kann man nicht einfach mal mit 5km/h hier rumstrampeln. Die Hübsche und ich ziehen vorbei und geben alles für die Milch. Ganz offenbar wollen sich die drei Milchköche den Brei nicht verderben lassen und schießen erneut wie die Irren an uns vorbei. Ich ahne allerdings, dass sie es wieder nicht bis zu ihrem Milchtopf am Berggipfel schaffen werden und tatsächlich halten sie kurz vor der nächsten Kurve wieder abrupt an und verschnaufen. Statt dass sie einfach mal einen Gang auswählen, den sie durchgängig hochdrehten können… aber wer will schon Ratschläge von so alten Schachteln wie mir? Als der letzte Movistar Milchkoch dann allerdings japsend ausklickt und absteigt, frage ich ihn tatsächlich kurz, ob er hilfe braucht. Jetzt hier so am Berg stillschweigend zusammenbrechen muß ja schließlich auch nicht sein. Er will aber keine Hilfe und so empfehle ich seinen Kochkumpels die ich weiter oben am Berg treffe, doch mal nach ihm zu schauen. Alles muß man selbst dirigieren.

Gruppenfahren

Von oben haben wir eine wunderbare Aussicht. Wir können bis nach Palma schauen, und auf der anderen Seite einmal komplett um die Insel. Unser Hauspuig ist ebenfalls gut zu erkennen und sieht von hier aus gar nicht so hoch aus, wie er gestern in die Beine gegangen ist. Wirklich sehr schön hier. Allzu lange wollen wir allerdings nicht hier bleiben, denn immerhin wartet der Gesetzeshüter beim Kaffee und womöglich auch noch bei Kuchen! Mein Rad steht umringt von einer Altherrengruppe und ich frage freundlich, ob ich das Kinderfahrrad da mal flott aus ihrer Mitte rausholen kann. Das ist für die Herren kein Problem und sie besprechen sich sofort weiter, denn ihr wichtigstes Ereignis bei der heutigen Gipfeltour war, dass da tatsächlich jemand schneller den Berg hochgefahren ist, als sie ihn selbst runter fahren würden. Und weil die Hübsche einfach gerade passend dasteht, sagt sie „ja, das war ich“ und bei mir ist es sofort vorbei. Das Gesicht der Herren ist unbezahlbar! Herrlich.

Nachdem wir uns mit sehr leckerem Mandelkuchen versorgt haben, geht es wieder in Richtung Finca. An einem Berg erklärt mir der Hüne noch so nebenbei, wie man eigentlich jemanden so richtig degradiert, denn er pfeift Berg an und tritt einbeinig. Schon wieder muß ich lachen. Wir rollen wellig, wie man das eben nennt, wenn man keine wirklichen Berge, aber dennoch Höhenmeter fährt quer durch die Insel so dahin, genießen weiterhin kleine, ziemlich hübsche Sträßchen, machen noch einen Halt an einer Radrennbahn und sind nach 111km und 1.000 Höhenmetern dann wieder zurück. Nicht zu früh, denn die Chefin hatte sich ja etwas Ruhe erbeten.

Der Zeugwart und ich sind prima in Form dieses Jahr. Echt schön, wenn man nach so einer Tour nicht total in den Seilen hängt.