Wie bereits erwartet, habe ich unfassbar gut geschlafen. Der viele Sport, die gute mallorquinische Luft und das leckere Essen haben mein Schlafbedürfnis perfekt unterstützt. Ich wache knapp vor dem Wecker auf, ziehe die Bandage an und statte mich mich Handtuch und Terraband aus. Und dann bin ich überpünktlich beim morgendlichen Athletiktraining im sonnenbeschienen Garten der Finca, wo sich alle Athleten vor dem Frühstück versammeln.

Statt der fünf Tibeter, die der Physiotherapeut mit den Athleten durcharbeitet, mache ich meine Kniegymnastik. Die klappt heute früh wirklich ganz hervorragend und ich merke, wie groß der Unterschied ist, wenn ich die Gymnastik nach einem anstrengenden Arbeitstag mache, oder eben heute früh. Ausgeschlafen und ohne Stress. Ein Unterschied, wie Tag und Nacht. Dem Knie geht es großartig.

Nach dem Frühstück ziehen wir uns an und fahren als große Gruppe, also alle Fincabewohner, mit einer inkludierten Stadtrundfahrt, über die Schilfstrasse Richtung Alcudia zum Schwimmtraining. Geschwommen wird im salzigen Pool in dem schon Mario Mola für seine großen Erfolge trainiert hat. Dann kann der Pool ja schon mal nicht allzu verkehrt sein, das ist klar.

Wir machen ein Techniktraining mit der Chefin und schwimmen uns dafür erst mal ein. Dann geht’s mit den -fast schon- üblichen Technikübungen los. Wasserfassen, Wasserlage, Druckphase, die Chefin nudelt wirklich alles durch. Zum Abschluss wird gesprintet. Und weil ich mittlerweile tatsächlich ganz gut schwimmen kann, sind meine Mitschwimmer unter Druck. Ich lasse zwar Vorsprung, hole sie aber auf der 25m Bahn mehrfach ein. Grandios. Hätte ich Konfetti dabei, jetzt wäre die Zeit dazu. Aber im Becken kommt das natürlich nicht ganz so gut.

Verstehe ich auch. Es ist auch überflüssig sich mehr als nötig zu feiern. Also ziehen wir uns wieder um und rüsten uns für die Weiterfahrt mit den Rädern. Das  Zwischenziel unseres heutigen Radtrainings heißt Petra. Das kleine Städtchen ist berühmt für seine zwei Plätze im Ortskern und den guten Mandelkuchen, den es dort praktisch in jedem Café gibt.

Die Hinfahrt nach Petra erfolgt über das Waschbrett. We in der Vergangenheit glaube ich nach wie vor auch heute, dass die Mallorquiner für diese Straße garantiert einen ganz anderen Namen in Petto haben. Aber jeder deutsche Radsportler nennt diese Straße voller Wellen eben Waschbrett. Und da ich mich gut anpassen kann, mache ich das auch, nach wie vor. Obwohl mich der wahre Name schon irgendwie interessieren würde. Na ja. Muß ja nicht heute sein.

Im Waschbrett gibt’s jede Menge Hügel. Asphaltblasen, wie sie der Tonangeber nennt. Also Erhebungen, die man als trainierter Radfahrer locker hochtreten kann. Behauptet er zumindest. Ich erinnere mich an die letzten Jahre, da waren die Asphaltblasen alles andere als einfach und von locker hochtreten habe ich da auch nichts gemerkt. Ich habe mich teilweise regelrecht hoch gequält. Was nicht schlimm war, aber eben alles andere als locker. Heute bin ich gespannt, wie meine Sprayeinnahme sich über die Waschbretterhebungen so macht. Ich mache einfach so schnell ich kann.

Die Chefin ist direkt vor mir. Insgeheim nehme ich mir vor, dass ich sie nicht weglassen möchte. Mal sehen, wie viele Meter ich dieses geheime Vorhaben so umsetzen kann. Die Chefin fährt die Asphaltblasen mit 14 km/h hoch und ich auch. Einfach ist es nicht, aber ich lasse sie eben nicht weg. Und so feiern wir uns, vor dem nächsten Anstieg und machen die 14 km/h Abzocke einfach bei jeder der Asphaltblasen. Grandios. Klar wird es anstrengender, aber das passt schon. Ich beiße mich an ihr fest. Die Chefin ist eine großartige Motivation.

Die letzten Meter zur Abfahrt nach Petra bekomme ich das Grinsen schon nicht mehr aus dem Gesicht. Lovis dagegen hat heute richtig zu kämpfen. Sie teilt mir bei einem kurzen Sammelstop mit, dass sie gerade alles an den Nagel hängen möchte. Da ich nicht sicher bin, wie wir alles definieren möchten, gehe ich blitzschnell mit ihr ein paar wesentliche Dinge durch, damit wir da gleich mal auf einer Linie sind. Und schon ist sie bereit „Alles“ abzuwandeln und noch ehe sie dann tatsächlich die An-Nagelei vollumfänglich definiert, fahren wir weiter. Beim Rad fahren kann man sich ja auch gut mal etwas überlegen.

Tatsächlich bremst mich noch so ein bekloppter LKW Fahrer aus und hört durch sein geschlossenes Fenster meine Schimpftirade. Weil man sich so einfach nicht im Straßenverkehr verhält. Absolut unnötig. Er ist genau 10 Sekunden vor mir an der nächsten Kreuzung. 10 Sekunden, für die er meine Gesundheit auf’s Spiel gesetzt hat und die ihm für seinen weiteren Tag garantiert absolut rein gar nichts bringen. Aber es wäre auch zu schön, wenn es in Spanien keine Deppen gäbe. Die Deppen greifen ja eh um sich, so scheint es mir zumindest.

In Petra umrunden wir die Mittelortsplätze und arbeiten uns immer weiter ran, bis wir schließlich in einem sehr schönen Restaurant landen. Nicht immer sind die Essensteller vielversprechend, wenn sie rausgetragen werden, aber hier scheinen wir einen guten Fang gemacht zu haben.

Wir bekommen sehr leckeren Mandelkuchen serviert, es ist nicht so proppenvoll, weil die meisten Radfahrer bereits durchgefahren sind und auch die Sandwiches und warmen Speisen sehen super lecker aus, wie sie vom spanischen Kellner so rangeschafft werden. Er ist zusätzlich sehr gesprächig und so erfahren wir, dass die Sonne gleich wieder raus kommt und dass er in Hamburg Operngesang studiert hat. Und während ich meine Radflasche auffülle überzeugen ihn die Fincamitfahrer, dass er für sie singen soll. Und weil er offensichtlich ein Profi ist, singt und musiziert er für uns in seinem Keller.

Beeindruckend. Und absolut unerwartet, wo ich ja davon ausgegangen bin, dass es sich lediglich um ein Straßencafé für Radfahrer in Petra handelt. So einfach ist das eben, wenn mehr drin steckt. Wir ziehen uns nach dieser Musikeinlage nun alle wieder radtauglich an und fahren Richtung Finca. Der Zeugwart und die Chefin finden einen sehr schönen autofreien Weg als direkte Verbindung zwischen Petra und unserer Finca. Wir fahren immer noch zügig und ich erfreue mich an der schönen Landschaft und zehre von meiner großartigen Waschbrettauffahrtsgeschwindigkeit. Leider haben alle meine Mitfahrer ja bereits in Petra diese Erzählung angehört, so dass ich die jetzt auch nicht immer weiter damit nerven möchte. Ich freue mich still und lächle.

Aber spätestens den Fahrern der anderen Gruppen kann ich diese famose Leistungssteigerung dann später am Pool lang und ausgiebig erzählen. Das Schöne auf der Finca ist, dass sich die Bewohner ehrlich füreinander freuen können, Ironman Athlet für Anfänger, absolut egal. Jede Leistung ist top und wird gewürdigt. Wir essen heute wieder ein wunderbar leckeres Abendessen und quatschen über die Radausfahrten, bis ich so richtig müde bin. Und so falle ich heute Abend erneut total geschafft und sehr zufrieden ins Bett.