Bald geht es wieder los mit den großen Radsportveranstaltungen und passend dazu flatterte mir Sebastian Moll’s Werk „ULLE“ als Rezensionsexemplar ins Haus. Die Geschichte von Jan Ullrich, einem tragischen Helden des Radsports. Sebastian Moll hat als Radsportjournalist von März bis Oktober gute 10 Jahre lang den Radsportzirkus begleitet und dabei auch mit Jan, also Ulle, zu tun gehabt. Nachdem Jan 2018 wegen seiner Drogeneskapaden und Tätlichkeiten verhaftet worden war, war es Sebastian Moll ein Bedürfnis, Ulles Geschichte noch mal aufzurollen. Er erzählt die Geschichte von Jan Ullrich, dem Radsportler, wie sie vorher nicht erzählt wurde. Er schaut nach den Vorzeichen und Warnsignalen, die es vielleicht zu sehen gab, die aber nicht gesehen wurden, während jeder Jan Ullrich, Ulle, zugejubelt hat. Dabei entstehen tolle Einblicke in das Leben des viel gefeierten Radsporthelden. 

Wie kommt es zu so einem Dilemma? Wie hat Jan Ullrich die Suspendierung nach den Enthüllungen erlebt? Was hat das ganze Leistungssportkonstrukt mit mentaler Gesundheit zu tun? Wird das überhaupt als wichtig erachtet? Wie viel  menschliche Kosten sind eigentlich in den olympischen Medaillen mit eingerechnet? Oder in dem Erfolg, der Sportler? Jan Ullrich, der Ulle, ist an einem Tag noch der Held der Nation, auf der Jagd nach einem großen Tour de France Erfolg und am nächsten Tag landet er ohne Vorwarnung in der kriminellen Ecke. Ohne, dass er sein eigenes Unrechtsbewusstsein diesbezüglich mitgekommen wäre. Die volle Härte, mit der das Telekom Unternehmen die Zusammenarbeit per Fax damals beendet hat, war einfach zu viel. Auch oder vor allem Profisportler sind verletzlich und haben Gefühle. 

Sebastian Moll beleuchtet auch gut die Doppelmoral, die im Radsport und sicherlich auch an anderen Stellen im Sport allseits präsent ist. Die gleichen Leute, die das Taxi für die Fahrt zur Eigenblutbehandlung sehenden Auges bestellt und alles organisiert haben, waren nach der Suspendierung von Ulle entrüstet und haben ihn geächtet. Erst von Fernsehshow zu Fernsehshow und dann von heute auf Morgen das schwarze Schaf der Nation zu sein. Kein gesundes Verhältnis zum Essen oder zum eigenen Körper, Ulle stand viel in der Kritik. Aber wer braucht bitte kein Ventil, bei dem Druck? 

Das Buch „Ulle“ ist im Delius Klasing Verlag erschienen und kostet 22,- EUR. Ihr könnt es online auch hier* kaufen. Es ist sehr flüssig zu lesen und zeigt einen wirklich sehr interessanten Einblick in die Welt des Profisports. In ein System, was in vielerlei Hinsicht unmenschlich und kaum zu ertragen ist. Sicherlich lernen nicht nur Radsportfans, sondern auch alle, die voller Empörung vom Absturz des Jan Ullrich gehört und diesen bewertet haben, mit diesem Buch eine neue Perspektive auf die Situation kennen. Von mir gibt es eine Leseempfehlung an dieser Stelle.