Dass man im Trainingslager auch irgendwann mal mit Muskelkater aufwacht, ist klar, oder das sollte einem klar sein. Eigentlich mehr als klar. Ich mache hier ja schließlich wesentlich mehr als daheim. Wahrscheinlich sogar, mehr als ich jemals daheim gemacht habe … ? Das könnte gut der Fall sein. Ich wache auf jeden Fall heute mit Muskelkater auf. In den Schwimmuskeln. Neben den normalen Muskeln, die ein Mensch hat, hatte Holger Lüning in seinem Vortrag nämlich auch noch die Schwimmmuskeln benannt. Ich hatte diese Muskeln bisher nicht. Also daheim, in der Zeit vor Teneriffa, hatte ich die Muskeln nicht. Seitdem ich an meiner Mitte arbeite, kenne ich sie. Sie haben sich ganz plötzlich und unerwartet einfach so ohne Vorwarnung in mein Leben und in meinen Rücken, Brust, Schulter und Oberarme geschlichen. Fieses Pack.
Nachdem ich aufgewacht bin, muss ich mich recken und dehnen. Das passiert sonst auch eher selten. Ich merke wirklich jeden dieser vormals total unbekannten Schwimmermuskeln. Seit wann ist Schwimmen denn eigentlich so anstrengend? Ich kenne das nur locker. Bisher.
Da die Schwimmermuskel nur oben in meinem Körper tätig sind, kann ich trotzdem prima zum Frühstück laufen. Wie ich allerdings einen Teller vom Buffet zum Tisch bekomme, das muss ich mir noch überlegen. Beim Frühstück am T3 Tisch darf ich mir anhören, dass eine weitere Dame, die hier ebenfalls zu Gast ist, sich das alles ganz anders vorgestellt hat. Es gefällt ihr nicht, dass die Sonne so stark scheint, ein bisschen weniger täte es auch. Es gefällt ihr nicht, dass es überall hoch und heruntergeht, sie fährt gerne flach Fahrrad. Außerdem mag sie die Natur nicht, es gibt hier einfach zu viele Palmen, Sträucher und Kakteen und viel zu wenig Abwechslung. Das Meer ist ihr eine Idee zu salzig und die Spanier sind ihr zu laut. Gut, dass die Messer nicht besonders scharf sind … ich könnte sonst einfach eines rüberwerfen. Wirklich recht machen, kann man es der Dame nicht, soviel steht fest.
Der Zeugwart zieht sich nach dem Frühstück an, um wieder mit dem Rädchen durch die Gegend zu fahren. Martin, der Guide verrät allerdings nicht, wie viele Höhenmeter heute auf dem Plan stehen… er rät lediglich dazu, sich wärmer anzuziehen. Das verspricht Berge und Höhen. Hier unten am Meer ist es nämlich ordentlich warm. Ich frage den Zeugwart, ob es ok ist, wenn ich ihn alleine lasse und schon los zum Schwimmen gehe. Und dann lache ich erst mal herzlich und ausgiebig. Dass ich tatsächlich schon los zum Schwimmtraining möchte, ist wirklich ein Ding. Ich kann das gar nicht glauben. Aber das T3 macht anscheinend Lust auf Training. So wird es sein.
Oben im T3 angekommen suche ich mir eine freie 25 m Bahn und beginne nach meiner Mitte zu forschen. Wie gestern. Ich mache Übungen für den hohen Ellbogen und schwimme mit leicht geöffneten Fingern immer hin und her. Als mein angedachtes Programm fast zu Ende ist, bekomme ich auf meiner Bahn Gesellschaft. Eine Dame findet, ich schwimme langsam genug, um ihr als Herzinfarktpatientin nicht zu viel Wasser aufzuwirbeln. Oje … ich muss tatsächlich schrecklich aussehen beim Schwimmen. Gut, dass das Ende naht und ich ganz offiziell die Flucht ergreifen darf.
Die Dusche ist voll von Engländerinnen. Das ist auch eine Spezies mit ganz besonderen Besonderheiten. Vollkommen frei und ohne jedes Schamgefühl unterhalten sich die Damen über lauter Themen, die ich weder von ihnen wissen möchte, noch in Details in meinem Kopf haben will. Ich bin vielleicht auch speziell, aber in einigen Bereichen eben auch nicht wissensdurstig. Mein Informationsbedarf ist einfach bei manchen Themen gedeckt. Ich benötige keinen sog. Input. Mittlerweile klappte mit dem Arrangement meiner Sporttasche und den Abläufen in der Umkleide schon ganz gut und flüssig, sodass ich wirklich nicht mehr Zeit als unbedingt nötig bei den Damen verbringen muss. Erfreulich und auch irgendwie ein Erfolg.
Ob ich meine Mitte gefunden habe und ob die 45 Minuten Techniktraining nun heute früh sinnvoll investierte Zeit oder nutzloses wässern waren, das erfahre ich spätestens heute Nachmittag. Um 16h stehen zwei volle Stunden Schwimmtraining auf dem Plan. Wie ich zwei Stunden schwimmen durchhalten soll, das steht allerdings nicht dabei.