Wir nehmen immer und überall Flyer mit und nachdem sie durchgelesen sind, fliegen sie meist dahin, wo sie keinem Schaden können: in die Papiertonne. Alle, bis auf einen. In einem Startbeutel in diesem Jahr war eine kleine Flyer-Postkarte, die sich gegen den Papiermüll gewehrt hat. Vehement. Sie war resistent. 
Der Spruch darauf hatte es mir angetan: „Mit Wellness gewinnst Du keine Rennen“. Aha. Stimmt irgendwie bestimmt. Allerdings bin ich mir fast sicher, dass ich auch ohne Wellness keines gewinnen würde. Aber gut, das steht auf einem anderen Blatt. 
Die Postkarte schafft es auf jeden Fall in unsere Küche auf die Dunstabzugshaube und der Zeugwart und ich starren das Rad, den Schlamm und den Spruch wochenlang an. 
Und dann hat die Postkarte geschafft, was wenige Flyer bei mir vollbringen. Ich kümmer mich. 
Die Rückseite wirbt für einen Offseason – Triathlon- Athletik-Kurs und weil wir neugierig sind suchen wir den Kontakt. Das Logo wirkt zugegebenermaßen härter als ich es mir wünschen würde. Dieses Tigerwappen wird amerikanisch, unnachgiebig und gefährlich. Ich hab ja Wellness irgendwie lieber, aber wie steht’s so nett geschrieben… und so isses halt auch. „Von nichts kommt nichts“, hätte der Kreative genauso gut hinschreiben können. 
Am Tag 1 hat nicht nur der Zeugwart mittlerweile größte Bedenken was die Anmeldung betrifft. Aber gut, was geschehen ist, ist geschehen, und schon betreten wir die alte Druckerei in der früher hart gearbeitet wurde… und in der das heute ganz offenbar auch noch so zu sein scheint. Wenn ich mich hier so umschaue fordert mein Gehirn mich sofort zu einer Übersprunghandlung heraus und ich lache. Von der Decke baumeln Gurte und Schlingen, an der Wand liegen aufgestapelte Sandsäcke, vor uns ist eine riesige Tafel und ich verstehe nur Bahnhof. 
Ob wir uns das richtig überlegt haben? 
Ingo, unser Trainer, begrüßt uns und gibt eine kurze Einführung. Wir müssen nach dem Besuch wahrscheinlich erst mal Vokabeln lernen, aber Fremdsprachen sind ja sowieso mein Ding. Wie wir so loslegen, glaube ich mich sicher und schmunzel in mich rein. Ganz umsonst hast Du Angst gehabt! Ob Du hier überhaupt ins Schwitzen kommst? Ich bin einfach so naiv, dass ich das überhaupt denke. Aber ok. Der liebe Gott straft die Dummen ja oft recht zeitnah und so passiert es auch hier und jetzt. 
Nicht nur dass mir meine Grenzen was Kniebeugen (obwohl ich hier sogar ein Trainerlob bekomme), Liegestütz und Sit ups aufgezeigt werden, nein, das Zirkeltraining toppt alles, was ich bisher an schweißtreibenden Aktionen erlebt habe. Ich möchte sogar soweit gehen, dass es alles toppt, was ich mir bisher an -für mich überhaupt mögliche- Aktionen jemals vorgestellt habe. 
Und ich bin sowas von froh, dass ich vom ersten Zirkel (=Set) nicht vier sondern nur drei Wiederholungen (=Rounds) machen soll. 
Alleine schon von der bodenliegenden Rückenlage mit einer Kettlebell, die stets hoch über dem Kopf gehalten wird und damit immer die höchste Stelle meines Körpers am ausgestreckten Arm bietet aufzustehen und mich dann wieder im gleichen Bewegungsablauf hinzulegen ist schon so wahnsinnig, dass ich spontan verstehe, warum es hier nicht um Wellness geht. Dabei wäre die Matte durchaus für Wellness geeignet, sie ist nämlich eine Erinner-mich Matte, die meine Handabdrücke aufnimmt und erst ganz langsam wieder aufplustert, wenn ich meine Hand wegnehme. Hab ich noch nie gesehen so eine Erinnermich. Schön Dich kennenzulernen. 
Im Anschluß, schließlich sind wir ja im Set und damit ohne Zwischenpause, dann gleich 20 Bank-auf-und-nieder-Geher am Stück (!) klingen witzig und lächerlich. Ist es aber nicht. Die Bank ist kein Step aus einem Aerobic-Kurs. Die Bank ist ne Bank. Gut, keine Parkbank. Aber eher eine Parkbank als ein Step. So eine Zwischenhöhe, die man aber wirklich als Höhe bezeichnen kann. Es ist unheimlich anstrengend. 
Die Klimmzuggeschichte erspare ich am Besten jedem. Nur nicht mir… warum eigentlich? 
Im zweiten Zirkel gehts um gehaltene Liegestütz auf den Unterarmen. Die prägen den kompletten Zirkel und ich finde es so anstrengend, dass ich mich die restlichen drei Übungen erst mal davon erholen muß. Manches fällt mir total leicht, manches stellt meine Muskeln vor schier unüberwindbare Probleme, die mir einfach unlösbar erscheinen. Gerade viele Halteübungen, zum Beispiel mit geraden Rücken in die Kniebeuge und dann die Arme hoch und den Rücken -natürlich- gerade lassen, sind für mich so anstrengend, das hätte ich nie gedacht. 
Als wir fertig sind muß ich wieder lachen. Befreit, weil ich durchgekommen bin, etwas stolz, weil ich durchgekommen bin und irgendwie auch irre, weil ich durchgekommen bin. 
Für zu Hause gibt es ein zwei Tages Trainingsprogramm. Schön, da haben die Nachbarn also auch was davon. Wir sollen das Training am Besten in unser Lauftraining einbauen, empfiehlt Ingo. Na dann. Laufen gehe ich ja sowieso. Das wird schon passen. 
Glaube ich. 
Aber natürlich zeigt sich auch hier, dass ich einfach herrlich naiv bin. 
Mein Lauftraining wird zukünftig sicherlich extrem spannend für alle um mich rum werden. Wahrscheinlich schickt die Zeitung einen Reporter, weil die Leute sich so wundern werden? 
Nach einem kurzen Lauf ABC – Warm Up inklusive Kniebeugen und gelaufener Liegestütz, lege ich nämlich zukünftig mit einem 10Minuten Lauf los. Dieser wird dann durch 5 Burpees jäh unterbrochen und nachdem ich weitere 200m gelaufen bin und das ganze drei mal wiederholt habe, laufe ich 10Minuten zurück nach Hause. Dort gibt es dann Zirkel zwei und Zirkel drei meiner Hausaufgabe, inklusive Liegestütz, Seitstütz und Halteübungen. Falls ich dann noch lebe, wäre das Training nach einem ausgiebigen Stretchen dann vorbei. 
Auf meine Bedenken hin, dass die Leute sicherlich lustig schauen werden, wenn ich auf einmal anfange Kniebeugen oder Liegstütz während dem Lauf zu machen, antwortet Ingo, dass die, wenn der Kurs vorüber ist, nicht mehr komisch, sondern bewundernd schauen werden. 
Gut, da bin ich mal gespannt… und beschließe mich darauf einzulassen und zu quälen. Immerhin war das ja unsere Entscheidung.