Nach dem gar zauberhaften Auftritt von Herrn Copperfield im
MGM Grand gestern Abend, holt uns heute die Realität wieder ein.
Höchstwahrscheinlich schneller als gewöhnlich… aber ich will  mal besser nichts voraussagen oder gar
schwarz malen. Der Zeugwart und ich schnappen uns früh die perfekt gepackten
und paß-genau abgewogenen Taschen und beladen den Mietwagen entsprechend. Bevor
wir zum Flughafen fahren, wollen wir noch ausgiebig frühstücken, und zwar bei
Denny’s. Typisch amerikanisch. Die Freundlichkeit, der schnelle Service und das
eben typisch amerikanische Essen, sollen heute unserem Urlaub einen gebührenden
Abschluß geben.
Nachdem wir in weniger als 30Minuten von parken bis wieder
losfahren zwei Pancakes, ein herzhaftes Omelette, Schinken, eine Schale frische
Früchte und einen englischen Muffin verzehrt haben, geht es zum Flughafen. Den
Mietwagen gibt man in den USA ja unheimlich einfach zurück. Bisher kam zwar
immer noch jemand der uns mit einem „Thanks, you are all set.“ verabschiedet
hat, heute ist das anders. Wir stellen das Auto in die „Return“ Spur, steigen
aus und gehen. Einfacher geht es eigentlich nicht. Diese Handhabung kann für
Deutsche aber trotzdem auch recht kompliziert sein… immerhin haben wir es
gerne, wenn wir einen Beleg für unsere Taten bekommen oder ein OK hören. Nun
ja, hier und heute gibt es die Wunscherfüllung also nicht.
Der Flughafenshuttlebus bringt uns verlässlich zum richtigen
Terminal, der Automat druckt alle notwendigen Boardkarten aus und nachdem wir
die perfekt abgewogenen Taschen auf den Weg nach Frankfurt gebracht haben,
setzen wir uns noch ein bischen hin und lauschen den Reisenden.
Davon gibt es hier am Flughafen in Las Vegas eine ganze
Reihe. Heute haben wir hauptsächlich die im Blick, die inneramerikanisch unterwegs
sind. Aus Las Vegas sind das oft auch die, die eigentlich ins Ausland möchten,
denn –genau wie unser Deutschlandflug auch- einige Interkontinentalflüge
starten nicht direkt ab Las Vegas. Zumindest nicht Samstags. Unserer ist auch
so einer. Wir nehmen heute einen Zubringerflug nach Charlotte in North
Carolina, auf der anderen Seite von Amerika.

Mit uns warten weitere Deutsche Passagiere. In welche Stadt
sie fliegen, hören wir zwar nicht heraus, aber wir bekommen laut und deutlich
mit, dass nichts, aber auch wirklich gar nichts so lief, wie sich das der Herr
vorgestellt hatte. Er ist schier außer sich und kann sich kaum auf seinem
Wartesitz halten. Gut, dass seine Boardingzeit etwas früher kommt als unsere…
so kann ich wieder in den entspannten Urlaubsmodus zurück kehren, ehe ich mich
die Durchleuchtungsschlange anstelle.
Hier werde ich darauf hingewiesen, dass ich meine Schuhe
anlassen und dass ich den Laptop im Rucksack lassen kann. Es steht hier so, als
wäre das eine gigantische Errungenschaft und so außergewöhnlich, dass ich fast
ehrfürchtig sein müßte. Ein Bandbewachungsoffizier schaut sich meinen Reisepass
an, hält ihn unter die UV Lampe, stellt dabei sicherlich fest, dass der David
Copperfield UV-Lampen-Trick von gestern hier keine Wirkung zeigt, markiert
meine Boardkarte und winkt mich durch. Dann diskutiert er kurz mit seiner
Ablöse. Einer älteren Dame, die sich unheimlich wichtig nimmt. Nicht, dass ich
überhaupt wüßte, warum es notwendig ist meine bereits kontrollierte Boardkarte
und meinen bereits zweimal kontrollierten Reisepaß nochmals zu überprüfen, aber
bei der Dame macht das ganze Programm gleich noch eine Ecke mehr her. Den
Zeugwart winkt sie erst mal nicht durch. Sowas habe ich mir doch schon gedacht.
Wie auch bei mir wurden des Zeugwarts Unterlagen exakt
genauso oft kontrolliert und durch Automaten geschoben. Es gibt keinen Zweifel,
dass er auch heute wieder er selbst ist und dass seine Boardkarte, genauso
ausgedruckt wie meine, richtig ist. Die Dame möchte aber gerne erst noch was
klären und ruft so ganz aufgeregt, dass sie ihren Supervisor benötigt. Auf
meine Nachfrage, wo denn das Problem sei, bekomme ich nur die schnippische
Antwort, dass ich mich neben hinzustellen hätte. Ah ja. Das hilft ungemein.
Nachdem der Supervisor der Dame ihr Rumgeblöke ganz offensichtlich total
uninteressant findet, darf der Zeugwart passieren. Natürlich ohne weitere
Erklärung, warum es denn nun auf einmal ok ist und vor 2 Minuten nicht. Wenn
Menschen Macht erhalten, der sie kaum gewachsen sind… ich kann hier wirklich
nur mit dem Kopf schütteln und bin froh, dass ich mich im Urlaub etwas
entspannen konnte. Ansonsten hätte ich mir sicherlich den Namen notiert und den
Supervisor wissen lassen, was für absolute Hornochsen er beschäftigt.
In unserem Flug gibt es nur Menschen in T-Shirts, und alle
Männer haben einen Vollbart. Ich trage eine Jacke und bin ein Außenseiter.
Zumindest in den drei Reihen, die ich überblicken kann. Der Herr neben mir
trägt zu seinem Vollbart sogar noch eine Waldtarnhose. Ich glaube, alles
basiert hier auf einer Fernsehserie in der mehrere ältere Herren mit langen
Vollbärten und wallenden Mähnen in Tarnklamotten rumlaufen, Motorradfahren und
jagen. Zumindest sind mir deren Abbilder in diesem Urlaub oft begegnet. Ob mir
die Vollbärte an den jungen Herren gefallen, muß ich mir noch überlegen.
Auf amerikanischen Inlandsflügen gibt es keine Unterhaltung
und kein Essen. Es ist irgendwie ein bischen wie Busfahren, nur länger. Ich
schlafe und lese. Außerdem nehme ich die Stimmung auf. Wie verhalten sich die
Reisenden auf diesem Flug um mich rum? Wirken sie gestresst? Springen sie nach
der Landung gleich aus ihren Sitzen oder bleiben sie angeschnallt, bis das
Zeichen erloschen ist. Werden sie nervös, weil jemand Älteres vor ihnen nicht so
schnell aus dem Flieger aussteigen kann, wie sie es gerne hätten? Alles sehr
interessante Fragen… da geht so ein Flug flott rum.
Wir landen überpünktlich, ja eigentlich viel zu früh, in
Charlotte und dürfen als Dank dafür noch ein bischen auf der Landebahn
rumgondeln. Das Gate hat noch nicht mit uns gerechnet und so stehen wir hier
rum und sind entspannt. Ich bin mitentspannt, weiß aber, dass sich die Stimmung
meiner Mitreisenden garantiert beim nächsten Flug ändern wird. Hoffentlich sind
die Flugbegleiter ausgeruht.
Wir haben zwei Stunden Aufenthalt in Charlotte, essen einen
Bagel und pilgern dann an unser Abfluggate. Hier stehen bereits alle, als würde
es gleich losgehen, dabei ist noch eine Stunde Zeit bis zum Abflug. Ich wette
intern mit mir selbst, dass mindestens 90% des Fluges und 100% aller Stehenden
ebenfalls einen roten Reisepaß haben, und bin gespannt, ob ich
vorurteilsgeladen bin, oder meine Kultur einfach kenne. In manchen Dingen kann
man die Menschen der verschiedenen Nationalitäten einfach über einen Kamm
scheren. Da kann man nicht aus seiner Haut… man verhält sich dann eben
einfach „typisch Deutsch, Englisch, Amerikanisch oder wie auch immer“. Typisch
Deutsch ist in diesem Fall: „schon mal das Gate bevölkern, obwohl noch gar
nicht zum boarden aufgerufen wurde, immerhin möchte man ja der oder die Erste
im Flieger sein“. Der Zeugwart und ich setzen uns hin. Nur um eine Minute
später aufgerufen zu werden unsere Pässe und Boardingkarten am Gate einem Check
unterziehen zu lassen. Ist klar. DAS ist typisch Amerikanisch.
In diesem Land ist erst vor zwei Wochen ein 9 jähriges Kind
von Minneapolis nach Las Vegas geflogen. Alleine. Ohne Begleitung, ohne
Flugticket und vor allem: ohne aufzufallen, aber mein Paß wird heute so oft
aufgeschlagen, dass ich hoffe, er zerfleddert nicht.
Als unsere Zone irgendwann aufgerufen wird, stellen auch wir
uns in die Reihe und ich bekomme meine Wette bestätigt. Um mich rum ist alles
Deutsch. Deutsche Kinder, deutsche Männer und deutsche Frauen. Der Hauptteil unserer
Mitreisenden entspricht genau den Menschen, die ich in Deutschland meide. Jetzt
bin ich mit ihnen 8 Stunden in einem Flugzeug eingesperrt. Das wird sicherlich
ein Fest.
Noch am Gate scherzen ältere Frauen in schlechtem Englisch
mit amerikanischen Sicherheitsbeamten, die wenig verstehen und wahrscheinlich
am liebsten an einem anderen Ort wären, wo sie nicht dämlich von der Seite
angesprochen werden. Warum machen die älteren deutschen Frauen ihre Bemerkungen
gerne anzüglich und schauen sich danach gleich um, ob es auch viele andere
–höchstwahrscheinlich vollkommen Fremde- Mitreisende mitbekommen haben? Warum
gibt es diesen Selbstdarstellungswunsch hauptsächlich in dem Land, in dem ich
groß geworden bin? Ich verstehe das nicht und hoffe inständig, ich erinnere
mich in 30 Jahren daran, wie ich mich heute mal wieder fremdgeschämt habe.
Im Flugzeug sind nur meckernde Deutsche um uns rum.
Beachtlich, wo man doch eigentlich davon ausgehen kann, dass die Mehrzahl
derer, die heute nach Deutschland zurückfliegen, aus dem Urlaub kommen. Sie
sollten also im Idealfall entspannt sein. Sollten. Idealfall. Was ist das
schon?
Die Herrschaften, die vorhin in der Schlange am Gate am
Lautesten diskutiert und sich wichtig gemacht haben, sitzen direkt um uns rum.
Ein Ehepaar sitzt erst mal falsch, weil sie die Reihe 20, die über den Sitzen
in der Decke mit einer 20 markiert ist, mit der Reihe 19 verwechselt haben.
Gut, kann ja mal passieren, wenn ich mich ganz vorne hinstelle um als Erstes im
Flugzeug zu sein, kann ich mich schon mal total gestreßt vergucken. Ich kann
nur den Kopf schütteln, bin aber entspannt und gebe lediglich den Rat, einfach
beim nächsten Mal genau hinzusehen. Der Mann des Gespanns beginnt nun
tatsächlich sein Boardgepäck vom Fach über der Reihe 20 in das Fach über der
Reihe 19 umzuladen. Ich muß nicht erwähnen, dass alle Mitreisenden damit nicht
an ihm vorbei kommen, um sich in ihre Reihen zu setzen. Inklusive mir.
Als der Herr fertig umgeladen hat beglückwünsche ich ihn und
trete an ihm vorbei. Die Dame, die eigentlich in Reihe 20 sitzt, steht –obwohl
der Platz ja nun durch das Ehepaar geräumt wurde- im Gang rum und versperrt mir
den Weg. Ich schlage vor, dass sie sich setzt, denn auf dem Gang gäbe es weder
etwas zu sehen, noch etwas für sie zu tun. Wiederwillig nimmt sie Platz.
Während der Zeugwart unser Boardgepäck verstaut, und zwar
vollkommen chaotisch in einem Fach über einer fremden Reihe und zusätzlich auch
noch Gegenüber, stell er fest, dass die US Airways B767 nicht mit einzelnen
Fernsehern in jedem Sitz ausgestattet ist. Na, das kann ja was werden… ein
langer Flug.
Der Zeugwart und ich setzen uns, denn das Fremdschämen ist
für mich einfach leichter zu ertragen, wenn ich sitze. Ich kann mich dann
irgendwie besser in mich rein verkriechen…
Die Gruppe der um uns rum sitzenden tastet das ganze
Flugzeug ab, weil sie den Lichtschalter für ihre Lampen nicht finden. Weil ich
das kaum ertragen kann, und weil ich Angst habe, dass die Masken von der Decke
fallen, wenn weiter auf dem Fach rumgeklopft wird, helfe ich und zeige den
Schalter. Das mache ich auch nie wieder… ! Jetzt geht es nämlich los, dass in
der Reihe vor uns genaustens darüber diskutiert wird, warum die Lampen schräg
auf die Sitze ausgerichtet sind und ich als Linkssitzender denn nun mit meinem
Schalter die rechte Lampe bediene. Es ist unfassbar. Ich bin für diese Welt
wirklich nur bedingt geeignet.
Die Filme auf diesem Flug gibt es anscheinend nur auf
Englisch und nicht auf Deutsch. Und dass die Flugbegleiterin ihre wahre Mühe
mit unserer Sprache hat, ist nur das Tüpfelchen auf dem i. Es wurde nur eine
Decke pro Person ausgeteilt und außerdem hat sich eine Mitreisende erdreistet,
einen großen Handgepäckskoffer mit an Board zu bringen. Die Liste der
Beschwerden an die Flugbegleiter ist schier endlos. Ich bewundere die Damen und
Herren und beneide sie keine einzige Sekunde um ihren Arbeitsplatz. Das ist
wirklich der absolute Horror!
Die Frau, die vor dem Zeugwart sitzt, hampelt den ganzen Flug
rum, wirft ihre Haare durch die Gegend, über den Sitz, ihrem Nachbarn entgegen
und hat es offensichtlich ganz besonders schwer. Der Herr vor mir scheint einer
von der Erstfliegersorte zu sein… allerdings nicht von der unsicheren,
ruhigen, sondern von der Vorlauten „Ich habe schon über alles gelesen“ Sorte.
Die Reihe vor uns ist also eine totale Ätzreihe.
Anscheinend sind wir in unserem Urlaub, oder vielleicht auch
davor, jemandem richtig was schuldig geblieben… ich kann mir sonst nicht
erklären, warum ich ausgerechnet auf diesem Platz gelandet bin.
Die Flugnacht ist dementsprechend. Ich werde ständig wach,
weil an dem Sitz vor mir rumgewackelt wird, permanent greift jemand nach hinten
in „meinen“ Bereich um sich zu strecken und die Haare fliegen. Alles wird laut
kommentiert, und –obwohl die US Airways Maschine nun wirklich keine von der
leisen Sorte ist- so wache höre ich zwangsläufig alle Kommentare und
Bemerkungen. Übel.
Als wir landen wollen und die Durchsage zum Sitze
hochstellen und Tische anklappen kommt, sind es natürlich die Leute um uns rum,
die genau das nicht tun und auf eine Sondereinladung der Flugbegleiter warten.
Natürlich. Ich hätte darauf wetten sollen, aber der Zeugwart und ich haben
keine Casinochips mehr, da macht wetten nur halb so viel Spaß. Intern wette ich
noch schnell gegen mich selbst, dass die Leute um uns rum die Ersten sein
werden, die sich abschnallen und die Ersten, die aufstehen, und gewinne. Noch
ehe die Maschine überhaupt richtig abgebremst hat, geht in der Reihe vor uns
die Gurtschnalle auf. Herrlich, wie ich mein Volk kenne. Oder beängstigend?
Irgendwie Beides.
Der Pilot parkt auf dem Rollfeld und der Zeugwart stellt sicher,
dass wir in einem anderen Bus zum Terminal fahren, als die Reihe vor uns. Ich muß mich
dringend erholen. Obwohl ich eigentlich nur gesessen habe, fühle ich mich
schlimmer als nach der Mitteldistanz. Wahrscheinlich, weil die Euphorie und das
Adrenalin fehlt?
Liebes Team von US Airways,
auch wenn ich über den Komfort im Flieger nicht wirklich
begeistert bin und für Interkontinentalflüge ein Unterhaltungssystem in jedem
Sitz für angebracht halte, Ihr Team des Fluges 706 von Charlotte nach Frankfurt
hat aus meiner Sicht gestern und heute ganze Arbeit geleistet. Alle waren immer
außerordentlich freundlich und zuvorkommend. Und das auch und gerade in
Situationen, bei denen ich Unfreundlichkeit oder die Frage, ob das jetzt
eigentlich ernst gemeint ist, absolut akzeptabel gefunden hätte. Respekt für
diese Mannschaft!
Herzlichen Dank.