Kenneth ist zurück aus dem Urlaub und wieder im Core Sportclub Darmstadt. Er sieht erholt und braun gebrannt aus und er trägt einen Elite Training Pulli. Ich bin sicher, den hat er sich nicht meinetwegen angezogen, ziehe mich an und schaue den Fitten zu, die dienstags ja immer vor uns dran sind. Heute kann ich kaum hinsehen, weil mir schon das zu anstrengend ist. Also blicke ich in eine Zeitung und fahre in meinen Gedanken mit dem Rad durch British Columbia. Heute macht auch keiner noch spontane Step ups, aber die Tafel, die aufzeigt, wie viele bereits absolviert wurden, ist beeindruckend. 
Als die andere Gruppe fertig ist und Kenneth uns zum Training bittet, ist die Tafel nicht gewischt. Das muss ein Fehler sein. Aber ich will mal nicht so sein, er hatte immerhin gerade erst Urlaub. Das Tafel wischen kommt ganz bestimmt noch. Er kann das Training schlecht so stehen lassen… er will uns ja schließlich nicht umbringen. Wir machen uns, wie jedes Mal, erst mal warm. Meine Sehstärke ist offenbar dringend überprüfungswürdig, denn ich lese als Warm-up: 50-mal aufstehen inklusive Sandsack. Gut, das kann er nun wirklich nicht ernst meinen. 

Die Sandsack Plage

Schon 50-mal aufstehen ohne Sandsack ist totaler Irrsinn. Viele kriegen das noch nicht mal innerhalb von einer Woche hin und ich soll das mit Sandsack zum warm machen abroppen? Manchmal glaube ich, Kenneth und Ingo schreiben so Sachen hauptsächlich deshalb an die Tafel, weil sie mein Gesicht sehen wollen, wenn ich es ablese. Heute lohnt sich genau das sicherlich. Gut. Ich beginne also mit meinem Sandsack aufzustehen und mich wieder hinzulegen. Irre. Kenneth steht neben mir, lobt mich und sagt dann, dass es auch ok ist, wenn ich 30Stück mache. Ich bin unendlich dankbar und frage mich gleichzeitig total verrückt, ob ich nicht doch auch 50Stück hätte schaffen können. 
Nach den 30 bin ich allerdings so vollkommen bedient und sicher, dass 50Stück nicht drin gewesen wären. Ich bereue sogar den Gedanken daran. Aufrichtig! Dann beginnt ein Horrorzirkel. Wir machen insgesamt 5 Wiederholungen von 3 Klimmzügen, 7 Liegestütz und 10 Sit ups. Wie man auf diese Kombination kommt, ist mir total schleierhaft. Aber als ich mich an den Klimmzügen versuche wird es mir klar. Kenneth denkt nur an sich. 
Das ist es. 
Er nutzt die Klimmzüge dazu, selbst zu trainieren. Zumindest tut er das bei meinen drei. Also insgesamt natürlich 5 mal 3, wegen der Runden. Während ich nämlich an der Stange hänge und mit Hängen und Würgen, Fluchen und Jammern versuche mein Kinn wenigstens symbolisch über die Stange zu bringen, hilft Kenneth von unten nach. Eigentlich macht er also die Arbeit. Der Arme. Aber weil er mich lobt, während ich mich abmühe, fühle ich mich nicht ganz so schlecht. Ich hoffe zwar inständig, dass Kenneth keinen Schwächeanfall bekommt und seine Hilfe auf einmal unterlässt, aber weil ich sofort nach den Klimmzügen mit Liegestütz und Sit-ups vollkommen beschäftigt bin, denke ich nicht an die Zukunft, sondern nur an das hier und jetzt. 

Der starke Helfer

Jetzt würde ein normaler Mensch denken, dass Kenneth fix und alle ist, weil er mich ja gerade bei den Klimmzügen unterstützen konnte. Ist er aber nicht. Zumindest nicht fertig genug. Wahrscheinlich hat er von der Belastung sowieso überhaupt nichts gemerkt? Das wird’s sein. Kenneth besteht nur aus Muskeln und damit aus Kraft. Er kann Klimmzüge und Liegestütz ohne Pause und unterhält sich bzw. mich dabei noch. Und jetzt kann er sogar seine Stoppuhr noch halten. Und das ist fies. 
Wir machen eine Übung von einem japanischen Wissenschaftler, der nichts besseres zu tun hatte, als blöde Entdeckungen zu machen. In 20 Sekunden so viele Kniebeugen am Stück machen, wie es geht… dann 10Sekunden Pause. Für die, unter uns, die das Albern finden… ich leihe mir gerne mal die Stoppuhr, damit wir es nachturnen können! 
Insgesamt machen wir von diesem Japaner 6 Wiederholungen. Beim ersten Mal schaffe ich 12 Kniebeugen, bei den nächsten vier schaffe ich jeweils noch 11 Kniebeugen und die letzten 20Sekunden kann ich immerhin noch mit 10Kniebeugen füllen. Ich frage nicht, wie viele Kenneth so schafft, denn ich will mich wenigstens kurz einmal toll finden heute. Im Hintergrund absolviert einer der Fitten noch ein paar Step ups. Ich sehe das nur aus den Augenwinkeln, ehe ich nach den 6 Wiederholungen vollkommen außer Atem bin und mich an einer Säule festhalten muss. 

Fitter als gedacht

Die letzte Übungsreihe heute ist bestimmt direkt aus Amerika übernommen. So etwas Verrücktes kann sich nur ein besonders kreatives Volk ausdenken. Wir machen Seitstütz für 30 Sekunden pro Seite und ich finde das wenig anstrengend. Was ist bloß mit mir passiert? Dann stemmen wir eine 5 kg Scheibe am ausgestreckten Arm und bringen sie im Sitzen immer rechts und links auf den Boden neben den Hintern. Im Anschluß rolle ich mich wie ein gepanzerter Käfer auf dem Rücken von links nach rechts, in dem ich die Hüfte und die Schulter nacheinander in die gleiche Richtung bewege. Ich tue das mit Bauchmuskeln die direkt unter einem der üblicherweise vorhandenen Rettungsringe versteckt sind. Bei mir funktionieren die ganz gut, was wirklich mehr als erstaunlich ist, denn ich benutze diese Muskeln niemals sonst. Morgen werde ich aber sicherlich immer noch genau wissen, welche vom Bauch es waren. Klar. 
Zum guten Schluß dieser Reihe quäle ich noch einen Muskel, der das Knie stabilisiert, aber in Höhe des Hosenbundes sitzt, mit ein paar Beinhebern. 25 Stück pro Seite sind schrecklich. Vor allem nach diesem japanischen Wissenschaftler-Mist. Und weil es so schön ist mich leiden zu sehen, hat Kenneth 4 Wiederholungen dieser Übungsreihe auf die Tafel geschrieben.
Als wir fertig sind, mit dem Programm, sieht auch Kenneth zufrieden aus. Er ist sicherlich froh, dass er sein „Klimmzugtraining“ absolviert hat und die Stoppuhr trotzdem noch halten konnte. Ich fühle mich total stark… weil ich ab sofort behaupten werde, dass ich 1,5 Klimmzüge alleine gemacht habe und mich erst danach ergeben habe. 
Wann klaut eigentlich mal jemand die Kreide beim Core Sportclub und läßt nur den Schwamm zurück?