Ich mache heute einen Sport – Ruhetag. Es ist nicht so, als würde ich mich besonders schlapp oder geschafft fühlen, ganz im Gegenteil. Allerdings glaube ich auch, dass man es mit Sport nicht übertreiben muß. Und meine Woche war mit dem Ironman VR7 wirklich recht sportlich und die Muskulatur findet eine Pause sicherlich nicht so schlecht. Während Sport also heute nicht auf dem Programm steht, gehe ich aber selbstverständlich eine Runde raus. Ich weiß auch schon genau, was heute auf meiner Müll sammeln Runde angesagt ist. Bei uns gibt’s eine Verbindungsstrasse in die nächste Stadt und ich bin hier gestern früh entlang gelaufen. Der Müll im Wald hat mich regelrecht angesprungen und das Reh mit dem Snickers Papier hat mir den Rest gegeben.

Während der Zeugwart Fahrrad fährt, folge ich dieser Mission. Ich weiß nicht, ob das klug ist, oder nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass ich mich besser fühle, wenn ich den Müll hier von dieser Straße eingesammelt habe. Kann ich damit großes Bewirken, natürlich nicht. Was ist schon ein Müllsack mehr oder weniger? Ein Tropfen auf den heißen Stein. Mehr nicht. Trotzdem habe ich das Gefühl, dass ich mich im Anschluß gut fühle. Ich ziehe mir also die Gummistiefel an und schnappe mir aus dem Auto eine Warnweste. Einiges von dem Müll, den ich gesehen habe, liegt nämlich direkt an der Straße. Mit Warnweste habe ich das Gefühl, dass mich die Autofahrer besser sehen können, als nur mit Jacke. Eine farblich passende Kappe habe ich noch von einem Kampfrichtereinsatz in den USA. Ich schnappe mir die Arbeitshandschuhe, den Müllgreifer vom Bauhof sowie einen großen Müllbeutel und spaziere los. Bis zu meinem Einsatzgebiet lasse ich den Sack gefaltet. Sonst komme ich ja nie an.

Einsatzgebiet

Ich spaziere am Friedhof vorbei, wo ich gestern die Zigaretten aufgesammelt habe. Es liegt weiterhin keine einzige rum. Das macht mich zufrieden. Obwohl ich glaube, dass das reiner Zufall ist. Es hätten genauso gut einige Besucher hier sein und das hätten eben Raucher sein können. Ich glaube nicht, dass hier einer seinen Müll nicht fallen lässt, nur weil kein anderer rumliegt. Zwar glaube ich, dass jemand eher etwas dazu wirft, wenn eh schon was rumliegt, aber ein Raucher wird seine Kippe auch auf eine saubere Straße werfen. Ich bin ja nicht total naiv. Ein paar Meter weiter beginnt der Feldweg und dann geht’s auch schon in den Wald hinein. Ich rolle den Sack auseinander und ziehe die Warnweste an.

Und dann gehe ich sammelnd dem Verkehr entgegen. Die ersten Meter komme ich kaum hinterher. Es ist fast so, als werfen die Leute ihre Zigaretten, Kaffeebecher und Kronkoren noch schnell aus dem Fenster, ehe sie das Ortsschild sehen. Hier liegt wirklich alles rum, was man sich so vorstellen kann. Und auch einige Dinge, die ich mir ehrlich gesagt eher nicht vorstellen konnte. Aber da ich das Blatt einer Kreissäge und einige Zahnpastatuben tatsächlich in meinen Müllsack packe, ist es wohl so. Aus den Autos werden auch unzählige Flaschen, Kaffeebecher und Masken geworfen. Flaschen aus Glas sind mir ja der ätzendste Müll, weil sie schwer sind. Am Liebsten würde ich ja mit einer leeren Mülltüte rumlaufen, aber das passiert natürlich nicht.

Die Mülltüte füllt sich schneller, als ich erwartet habe und ich trage schwer. Zahlreiche Glasflaschen, Radkappen, unzählbare Kaffeebecher, Tetra Pack Behälter, Süßigkeiten Tüten und Riegelumverpackungen landen im Müllsack. Während ich mich langsam, Meter für Meter die Straße in Richtung Nachbarstadt vorarbeite, begegnen mir Spaziergänger und bedanken sich. Praktisch jeder Radfahrer, der vorbei kommt bedankt sich ebenfalls und sogar aus den Autos heraus bekomme ich den Daumen hoch gezeigt. Das ist ja wirklich sehr schön, dass die Menschen sich darüber freuen, dass hier mal sauber gemacht wird. Von einigen höre ich sogar, dass sie das auch mal machen wollten, aber es eben nie getan haben.

Das verstehe ich.

Man hat schließlich immer etwas zu tun und Pläne. Und selbst während der Corona Pandemie kann man sich das Wochenende mit zahlreichen Aktivitäten verplanen, die alle schöner sind, als Müll zu sammeln. Müll sammeln macht nämlich in Wahrheit gar nicht wirklich Spaß. Es ist ein Mittel zum Zweck finde ich. Ich sammle den Müll ein, weil ich eine saubere Laufstrecke haben möchte. Es macht mich zufrieden, wenn ich hier durch einen sauberen Wald rennen kann. Und ich mag es auch, wenn ich diese Straße entlang fahre und nicht überall am Straßenrand den Müll im Wald sehe. Ich tue mir also selbst damit einen Gefallen. Und der Umwelt gleich mit. Und offensichtlich auch denen, die diesen sonntäglichen Zeitvertreib hier anerkennen.

Im Grunde will von uns keiner den Müll am Straßenrand und auch nicht im Wald.

Ich glaube, selbst die, die ihn dort hinwerfen, können nicht ehrlichen Herzens sagen, dass sie den schön finden. Egal ist es denen, das glaube ich gerne, aber schön finden sie das nicht. Was soll so eine Wodka Gorbatschow Flasche im Wald? Richtig. Nichts. Sie gehört da einfach nicht hin und da kann mir auch keiner erzählen, dass sie dort hübsch aussieht oder Sinn macht oder sonst was. Die Flasche ist sogar eine Gefahr für den Wald, abseits davon, dass sie nicht verrottet (was eh praktisch kein Müll im Wald tut – auch keine Taschentücher), sie kann sogar einen Waldbrand auslösen. Na da hätten wir ja richtig Spaß! Die, die ihren Müll aus dem Autofenster werfen, sind wahrscheinlich auch die, die auf der Bank sitzen und den Müll nicht in den Mülleimer schmeißen, sondern daneben.

Ein Schlag Mensch.

Meine Mission heute habe ich vor dem Start genau definiert. Ich will heute auf der einen Straßenseite bis zur Nachbarstadt und auf der anderen Straßenseite wieder zurück. Dann sollte der Sack voll sein, dachte ich mir so, ehe ich los gelegt habe. Gut Ich bin doch etwas naiv. Und wenn ich selbst am Steuer sitzen dann scanne ich den Straßenrand ja auch nicht akribisch. Und beim Laufen ist mir auch nicht alles aufgefallen. Mein Sack ist auf der Hälfte des Weges zur Nachbarstadt schon über halb voll und richtig schwer. Ich habe mittlerweile auch mehrere Sektflaschen dabei, die natürlich auch ordentlich etwas wiegen.

Es ist damit klar, dass ich nicht bis zur Nachbarstadt laufe. Ich wechsle die Straßenseite und spaziere zurück. Und sammle den Müll auf dieser Seite der Straße ein. Hier gibt’s auch wirklich genügend Dinge, die habe ich gestern beim Laufen schon gesehen. Allerdings liegen auf dieser Straßenseite mehr Umverpackungen, Becher und Masken. Auf der anderen Seite sind es mehr die Flaschen gewesen und die Tetrapacks. Und Taschentücher, Desinfektionsmittel Flaschen oder Feuchttücher gibt’s einfach überall. Trolli Gummibärchen sind beliebt bei den Müllsündern hier in der Gegend. Das kann ich mal so als Tatsache festhalten.

Falls es jemanden interessiert.

Als mir der Sack zu schwer wird, um ihn dauerhaft in der Hand zu tragen, mache ich nur noch kleines Vorrücken. Leider liegt hier eh so viel Müll rum, dass das überhaupt kein Problem ist. Ich schleppe den Sack meterweise weiter, sammle alles um den Sack herum ein und weiter geht’s. So arbeite ich mich bis zu einem öffentlichen Mülleimer vor. Und der Sack ist bis dahin auch wirklich gut gefüllt und schwer. Hier, so habe ich es mit den Bauhof Mitarbeitern abgesprochen, kann ich den Müllsack abstellen und zur Abholung anmelden. Morgen kommt dann das Team vorbei und holt ihn ab. Richtig gut. Danke dafür auf jeden Fall. Ich hätte den Müllsack auf gar keinen Fall auch nur einen Millimeter weiter tragen können.