Ich bin nach dem Training erschöpft. Immer. Und übermäßig. Eine Stunde schwimmen schaffe ich und bin danach so richtig müde. Radeln mit dem Zeugwart oder Freunden? Schaffe ich, schlafe im Anschluß viele Stunden tief und fest. Ich brauche Erholung und Pausen viel öfter und ausgiebiger, als vor meinem Unfall. Laufen? Ich laufe und gehe im Wechsel, auch wenn ich wirklich versuche die Laufintervalle zu verlängern, so habe ich damit an guten Tagen manchmal Erfolg und schlage mich durch, manchmal fehlt mir dermaßen die Luft, dass ich schon 100m mehr als absoluten Erfolg ansehe. Der Tipp der Green Machine mit den 2km laufen, 200m gehen hat geholfen, aber die Strecke verlängern klappt leider kaum. Im Anschluß an jeden Sport, muß ich mich erholen. Und zwar richtig. Ich kann dann nicht ruhig noch etwas machen, ich muß schlafen. Und das heißt nicht 10 Minuten auf der Couch liegen und dösen, das heißt bei mir hinlegen, sofort einschlafen und tief und fest erholen wie es nur eben geht. Traumlos und so lange, wie möglich.

Faul

Ich habe kaum Trainingserfolge. Ich glaube, der Tonangeber denkt, ich bin faul. Einerseits der große Traum vom Rookie Projekt, der große Traum vom Triathlon dieses Jahr, ein Start beim Brauereienlauf, irgendwann ein Finish beim Ironman und auf der anderen Seite kann ich kaum 5km laufen und wenn ich sie laufen kann, schleiche ich seit dem Unfall bei über 35 Minuten rum, ohne jegliche Verbesserung. Ich bin auch genauso geschafft, wie zu anfangs des Rookie Projekts… und alle anderen? Alle anderen im Projekt werden immer besser. Sie schaffen den Trainingsplan, ich nicht. Der Tonangeber sagt mir, ich muß meine Leistungsfähigkeit selbst einschätzen, da hat er recht. Aber langsam ist es mir fast peinlich. Erst die große Klappe, im Sinne von, „ich werde wieder fit“, „ich mache beim Triathlon mit“, „2018 starte ich wieder durch“ und dann so wenig Erfolg dabei? Klar, die Schritte können kleiner sein, nach so einem Unfall, ich bin ja keine Maschine, aber so klein? Ich  könnte es keinem um mich rum verdenken, wenn gedacht wird, große Klappe und nichts dahinter.

Wer einen großen Traum hat, der muß auch dafür arbeiten. Das ist in allen Lebensbereichen so und beim Sport nun mal nicht anders. Ich war erneut bei meiner Hausärztin. Wahrscheinlich ist die mittlerweile von meinem „ich hab keine Kondition“ Geschwafel ebenso genervt, wie ich. Man kann auch nicht alles nur auf’s Alter schieben. In der letzten Woche hat sie mir eine Überweisung zum Kardiologen gegeben, weil sie glaubt, dass mich das beruhigt, wenn wir das Herz noch mal weiter abklären. Ich will zu viel zu schnell, da bin ich sicher. Was soll das Herz schon haben? Es schlägt und ich trainiere in den Pulsbereichen, die ich bei der Leistungsdiagnostik ermittelt bekommen habe. Es gibt keinen großartigen Verdacht, aber irgendwas muß es sein.

Denn, Faulheit ist es nicht.

Traum

Da bin ich ganz sicher. Ich trainiere wirklich viel und wenn es auf dem Plan steht, dann auch bis zur Belastungsgrenze, der Tonangeber läßt mir zwar freie Hand, aber ganz entäuschen will ich ihn natürlich auch nicht. Ich gönne mir zwar deutlich mehr Pausen, als beim Training für den 70.3 Kraichgau vor meinem Unfall, aber das liegt einfach daran, dass ich mich tatsächlich müde, schlapp und abgeschlagen fühle. Der Termin beim Kardiologen ist heute und er hört sich meine Geschichte aufmerksam an. Erfreulicherweise sagt er nicht gleich, dass ich wieder heim gehen kann, wenn ich im Alltag ja keine Probleme habe. Im Gegenteil. Ich habe das Gefühl, er freut sich ein bisschen, über einen vermeindlichen fitten Zeitgenossen, der mit einem Luxusproblem vorstellig wird. Die Untersuchungen dauern ewig, erst in Ruhe, dann unter Belastung. Ich war gar nicht auf Belastung vorbereitet heute, sonst hätte ich Turnschuhe angezogen. So trete ich in Pumps auf dem Ergometer 230 Watt und bin dann total fix und fertig. Obwohl mehr Leistung auch nicht mit anderen Schuhe drin gewesen wäre, denke ich.

Der Kardiologe sieht auf jeden Fall, was er sehen möchte. Ich witzel noch rum, dass es beim Herz mit dem Stillhalten für ein gutes Ultraschallbild ja echt blöd ist, aber dann bemerke ich, dass Witze anscheinend gerade nicht ganz so angebracht sind. Obwohl der Kardiologe leicht lächelt. Dabei ist mein Kommentar doch wirklich ziemlich lustig gewesen. Ein breites Grinsen hätte ich passend gefunden. Schließlich hat mein Herz ja nichts. Oder?

Woher weiß er das?

Na ja. Er fragt mich zahlreiche Dinge und meistens so erschreckend genau auf den Punkt, dass ich glaube, er wurde vorher informiert. Oder er ist beim Training dabei und beobachtet mich? Das kann ich ihn ja jetzt schlecht fragen, wäre aber trotzdem mein Verdacht, bei der Genauigkeit, mit der er meine Belastungen beschreibt und den Erholungswillen. Interessant und angsteinflößend zugleich. Er weiß, wann ich erschöpft bin und er weiß auch, dass es die Kurzatmigkeit ist, die mich am Berg pausieren lässt. Er schätzt den Pulsbereich treffend genau ein. Krasser Typ.

Er sagt außerdem, dass er selten jemandem mit meinen Werten so fit erlebt hat. Aha. Was genau soll das denn heißen? Und dann rückt er mit der Sprache raus und irgendwie würde ich mir wünschen, dass er einfach nicht so genau geschaut hätte oder ich jemand anders bin oder sowieso alles anders wäre. Er sagt, dass bei mir einiges nicht so funktioniert, wie es sein soll. Der magische Begriff, den er in den Mund nimmt, heißt Pulmonale Hypertonie. Das sagt mir wenig. Hat also was mit der Lunge zu tun, klar und mit Hochdruck, aber was soll das bedeuten? Der Kardiologe nimmt sich massig Zeit mich durch das Problem zu führen. Er erzählt mir genau, wie das Herz funktionieren soll, was die Lunge dabei macht und wie es sich mit dem Blut verhält.

Zu viel Druck

Der Druck in meinem Lungenkreislauf ist zu groß, sagt der Arzt. Das ist ja ein Ding. Wieso denn das? Eine Spätfolge des Pneumothorax vielleicht? Eine Pulmonale Hypertonie ist ein Krankheitsbild, das die Blutgefäße der Lunge betrifft und die rechten Herzkammern. Aus verschiedenen Gründen ist dabei der normale Durchfluss des Blutes durch die Lungen-Arterien gestört. Der Druck in der Lungenarterie ist erhöht (=pulmonale Hypertonie). Dieser erhöhte Druck macht es der rechten Herzseite schwerer, das Blut durch die Lungen hindurch zu pumpen. Das hat natürlich dann zur Folge, dass das Blut zurück zum Herz fließt, oder dort angestaut wird, und in der Lunge weniger Sauerstoff an das Blut gegeben wird.

Und wer nicht genügend Sauerstoff im Blut hat, der ist nicht leistungsfähig. Da kann man noch so viel trainieren. Der Arzt schickt mich in ein Spezialzentrum. Da muß ein Experte ran, sagt er. So schnell wie möglich. Ich soll dort gleich morgen früh anrufen, er schickt den Befund per Fax. Für unser anstehendes Trainingslager auf Mallorca verordnet er deutliche Zurückhaltung. Keine extremen Belastungen, ich soll die Kurzatmigkeit vermeiden, ich soll auf mich achten und es nicht übertreiben. Ich soll den Tonangeber informieren und die Chefin und den jeweils zuständigen Radguide, damit sich keiner wundert. Die Pausen, die ich im letzten Jahr bei der extremen Belastung gemacht habe, werden in diesem Jahr mehr sein müssen. Ich soll mich nicht scheuen Pausen zu machen, weil es nichts bringt ohnmächtig vom Rad zu fallen. Und ich soll nicht so viel im Internet lesen über dieses Krankheit. Weil einen das nur verrückt macht. Er hat recht. Das Internet ist voller Schauergeschichten.