Ich habe Muskelkater. Eigentlich habe ich den schon seit gestern Spätnachmittags, aber weil wir gestern Abend auf einer Geburtstagsfeier eingeladen waren, habe ich mich gegen die ewige Rumpienserei entschieden und einfach nichts gesagt. Ich erzähle sowieso ständig nur davon, wie langsam alles geht oder was mir gerade weh tut, da brauchte ich einfach mal eine Pause. Heute kann ich die Pause nicht länger einhalten. Irgendwann ist schließlich auch mal gut und ein bisschen jammern muß möglich und erlaubt sein. Erstaunlicherweise behauptet der Zeugwart, ich würde nicht wirklich rumgammeln und hätte noch mehrere Piens-Minuten frei. Gut, wenn es noch keinen nervt. Es könnte ja auch anders sein, aber Eigenbild und Fremdbild sind halt nicht immer eine Übereinstimmung.

Blende

Der Muskelkater, der Zeugwart und ich verbringen den Tag heute mehr oder weniger unsportlich in Frankfurt. Das liegt verkehrstechnisch ziemlich um die Ecke und heute gibt es einen Architektur Fotoworkshop/ walk, den ich nur per Zufall auf Facebook entdeckt habe. Das ist tatsächlich mal was anderes, denn weder der Zeugwart, noch ich, haben so etwas jemals vorher mitgemacht. Ich habe vom Fotografieren auch nicht wirklich Ahnung, das heißt, dass alle meine Treffer eigentlich per Zufall passieren. Und durch die Voreinstellungen unserer Kamera. Im Grunde nichts schlimmes, weil ich meinen Lebensunterhalt ja glücklicherweise nicht mit der Fotografie verdienen muß und es so noch eine Ecke netter ist, wenn ein Bild was wird, aber trotzdem etwas doof, wenn man so gar keine Ahnung hat. Blende, Belichtungszeit und ISO sind mir zwar Begriffe, aber nur, weil mein Vater schon früher gerne und viel fotografiert hat und es damals halt nicht alles mit Automatik gab. Selbst eine Entscheidung zur Blende zu treffen, halte ich für Bildzerstörend und deshalb habe ich das noch nie gemacht.

ISO

Ich weiß eigentlich auch gar nicht, wie man das an unserer Kamera einstellt bzw. verändert. Aber nichts ist so schlimm oder schwer, dass man es nicht lernen kann und nachdem ich vor ein paar Tagen beim Veranstalter nachgefragt habe, ob er es auch mit einer ahnungslosen aufnehmen möchte, sind wir heute beim Workshop dabei. Es ist bitterkalt in Frankfurt und etwas zugig. Nicht nur, dass wir mit dem Zug in die Stadt fahren, weil die Parkgebühren auch an einem Sonntag einfach unfassbar hoch sind, es ist auch leicht windig und durch die Häuserschluchten zieht es dann ab und an mal ordentlich.

Belichtungszeit

Wir sind gut ausgestattet. Mein neuer Fotorucksack ist genauso am Start, wie die Lumix, das Stativ, jegliche Wärmeisolierungsmaßnahmen, die mir so einfallen und der Zeugwart natürlich. Den Fotorucksack habe ich extrem billig geschossen, weil ihn jemand loswerden wollte und das schon seit zwei Jahren. Das Modell von Crumbler gibt es aktuell so nicht mehr, es ist aber angenehm zu tragen mit breiten Trägern und es hat Platz für das Stativ, die Kamera, die Regenhülle und noch eine weitere kleine Kompaktkamera. Zusätzlich passt noch Verpflegung, ein Laptop und natürlich zahlreiche Speicherkarten sowie ein Ersatzakku mit rein. Und der Rucksack ist beige/grün, was nicht so normal schwarz ist, wie eben jeder Rucksack. Ich bin also bis an die Zähne bewaffnet, als wir uns am Treffpunkt einfinden. Denke ich zumindest.

Stativ

Ganz so bewaffnet bin ich nämlich nicht, wenn ich mir die Ausstattungen der anderen Teilnehmer so ansehe. Spiegelreflexkameras, zahlreiche Wechselobjektive und das in fast jeder Preis und Qualitätsstufe sind samt ihrer Besitzer anwesend und schüchtern mich ein. Gekonnt wird mit den Begriffen Blende, ISO und Belichtungszeit um sich geworfen und ich werde -ganz entgegen meines eigentlichen Naturels- immer leiser. Schmunzelnd stelle ich allerdings flott fest, dass nicht nur ich keine Ahnung habe. Fast jeder Tipp der im Bezug auf Blende oder ISO Wert abgegeben wird, ist nicht im Sinne des Fotografen und Workshopleiters. Dann geht es ja. Ich bin im Gegensatz zu den anderen eben ein leiser Anfänger mit Bridge Kamera.

Objektiv

Los geht’s im Westend 1 und dann marschieren wir zum Hochhaus der deutschen Bank. Bewußt habe ich mir beide Gebäude noch nie angeschaut, obwohl ich (zu) viele Jahre gleich hier in der Gegend gearbeitet habe.

ZasadaPictures

Aber wenn man eh nicht gerne da ist, oder wenn man täglich durch die Häuserschluchten fährt, dann ist es einfach etwas anderes, als wenn man mit ZasadaPictures genau deshalb unterwegs ist. Heute liegt der Fokus ausschließlich auf den hohen Gebäuden und natürlich etwas auf der Temperatur. Obwohl ich ganz gut angezogen bin… ich fühle mich auch wie das Michelinmännchen. Als Fotograf macht man sich im Idealfall vor der Aufnahme ein paar Gedanken. Bei Architektur ist das auch ganz gut möglich, besser als bei Tieren, Kindern oder Sportlern. Häuser halten still. So lerne ich heute warum ein Vordergrund manchmal ganz schön ist und bei anderen Aufnahmen stört, was es mit Parallelen und Ecken auf sich hat und wie man sich mit Dritteln und goldenen Schnitten in die Herzen der Fotobetrachter knipst.

Ich kann bei meinen zahlreichen Auslösungen tatsächlich eine deutliche Veränderung in den Fotos erkennen und alle Erklärungen, die Patrick anbringt, warum manches besser und manches nicht so schön wirkt, machen auch auf meinem Display Sinn. Schön, wenn sich Erfolge so schnell einstellen. Anfänger erleben ja oft die größten Fortschritte und so komponiere ich symmetrische Häuseransichten mit gedritteltem Hintergrund, versuche Fluchtpunkte auszumachen und in die richtige Linienführung zu rücken und freue mich, wie ein Weihnachtsplätzchen, wenn das Bild dann tatsächlich was wird.

Zwischendurch gibt es noch allerlei Erklärungen, Bildbesprechnungen und lehrreiche Ausführungen denen wir als kleine Teilnehmergruppe aufmerksam lauschen. Patrick hat ein gutes Händchen jeden irgendwie dort abzuholen, wo man sich nicht zurückgelassen fühlt. Diskussionen über viele Glaselemente in einem Objektiv lausche ich gespannt, wohingegen andere mitdiskutieren können oder es nicht können, aber gerne wollen. Wir sind heute insgesamt fast 4 Stunden mit Patrick im stark runter gekühlten Frankfurt unterwegs. Meine komplette Fotoausbeute gibt es hier bei Flickr. Erfreulicherweise musste ich keine Filme wechseln und konnte alles, was einfach purer Schrott war bereits löschen. Digitalfotografie ist schon was feines.

Danke an Patrick für die Möglichkeit zur Teilnahme! Es hat mir wirklich gut gefallen… und dem Zeugwart auch!