Ich bin etwas aufgeregt als ich heute früh zum Hauszahnarzt aufbreche. Heute soll es also endlich soweit sein… ich bekomme meinen Zahnersatz und soll dann für die nächsten Jahrzehnte Ruhe haben. Das ist ja mal eine Ansage. Ich habe nun also wirklich lange nichts abgebissen und immer in Stückchen geschnitten und das soll dann jetzt auf einmal wieder vorbei sein? Glauben kann ich das noch nicht.  
Der Engel ist heute früh nicht da. Der hat später Dienst und deshalb wird der Erklärbär bei seinem Gewerk heute von der Road Runnerin unterstützt. Wie bei Road Runners in der Familie üblich, passiert bei mir heute nun fast alles ratzi-fatzi. Hingesetzt, Lätzchen um, Erklärbär gerufen und der ist so schnell zur Stelle, dass ich mich kaum auf meine Bedenken konzentrieren kann. Das ist doch ein Trick hier beim Hauszahnarzt um mir die Nervosität zu nehmen… so muß das sein. Anders als der Engel, der mir mit seiner leisen und ruhigen Stimme die Angst und jegliche Bedenken nahm, macht die Road Runnerin das gleiche mit ihrer Quirligkeit. Ich habe gar keine Gelegenheit für Bedenken.
Wir beginnen sofort. Ich mit Mund aufmachen, der Erklärbär mit der Provisoriumsentfernung und die Road Runnerin mit dem blitzschnellen anreichen, absaugen und abchecken, wie es mir geht. Und zack ist das Provisorium weg und wir sind wieder in der Anprobe. 
Ich fühle mich ein bisschen wie bei den Topmodells, die ab morgen wieder über die Mattscheibe flimmern dürfen. Zähne rein, Zähne raus, Zähne rein, andere Zähne hin und her. Auf und vor allem in meinen Mund werden mehrere interessierte Blicke geworfen. Nur Fotos werden keine gemacht. Dabei habe ich mich extra für die Zähne in Schale geworfen… obwohl der Erklärbär anbietet, ich könne meine Jacke gerne ausziehen. Nun ja. Mein „in Schale werfen“ hat offensichtlich nicht ganz den bärigen Geschmack getroffen.

Als alle Jurymitglieder mit meinen neuen Zähne zufrieden sind und auch die Zementfarbe mit Hilfe von extreme haltbarer Vaseline mehrfach ausgetestet wurde, geht’s ans Finale. Der Erklärbär macht seinem Namen alle Ehre und ich fühle mich einmal mehr hervorragend informiert. Warum Watte hier, wann wird’s naß und warum, wieso wird nun gedrückt und jetzt grad nicht. Ich weiß schnell über alles Bescheid und liege mit geschlossenen Augen, offenem Mund und voller Erwartungen einfach nur rum. Die Road Runnerin und der Erklärbär hantieren manchmal so flott um meinen Kopf herum, dass die geschlossenen Augen für mich absoluten Sinn machen… soviel Schnelligkeit am frühen Morgen ist einfach nicht meins.

Und dann ist alles fertig. Der Erklärbär putzt noch ein bischen mit Zahnseide zwischen den neuen Zähnen und dann bekomme ich den Spiegel gereicht und blicke zurück in den Oktober 2013. Unfassbar. Da sind sie wieder. Meine Zähne. Ich könnte heulen. Vor Glück natürlich. Sie fühlen sich großartig an und ich kann keinen Unterschied zu meinen Zähnen erkennen. Ich bin ganz sicher, frei nach den Topmodells bekomme ich heute ganz ganz sicher ein Foto und bin eine Runde weiter.

Wahrscheinlich bin ich jetzt irgendwie wie im Bann. Ich habe das Gefühl, ich sage gar nicht richtig tschüss. Ich bin irgendwie nicht wirklich bei der Sache als ich mich verabschiede. Ich bin bei den Zähnen. Ich vergesse auch, mir einen neuen Termin geben zu lassen, weil ich so seelig mit meiner Zunge über meine Zähne lecke. Irre.

Später rufe ich dann beim Hauszahnarzt an und entschuldige mich für meine Seeligkeit und dafür, dass ich die Verabschiedung irgendwie nicht so wichtig genommen habe. Außerdem vereinbare ich den Termin zur Nachsorge.

Am Abend fahre ich nochmals in der Praxis vorbei. Der Engel hat Spätdienst und ich habe etwas in der Praxis vergessen, dass ich nun abhole. Und als ich reinkomme, kann ich einfach so strahlen. Und bin gleich wieder seelig. Wie schön es ist, wenn man sich einfach mitfreuen kann, das wissen oftmals nur Engel und ich bin wirklich sehr froh einen kennengelernt zu haben. Engel trifft man einfach nicht so häufig.