Nachdem wir uns gestern Abend gegen das Pizzaessen aber für das Anschauen des Fußballspieles entschieden haben, ist es heute früh gleich noch eine ganze Ecke schwerer aufzustehen. Und dabei haben wir uns bereits unter der Woche gegen den Frühstart am See und für unser Erscheinen auf der 1. Radrunde entschieden. Trotzdem sind auch 5 Stunden Schlaf für uns durchtrainierte Frühaufsteher nicht besonders viel und so quälen wir uns zeitig aus dem Bett, frühstücken und packen dann das Auto. Wir nehmen heute die Räder mit nach Frankfurt um in der Stadt an der Laufstrecke zu parken, aber bei Km 20 der ersten Radrunden, an der Mainkur, anzufeuern. Mit der Bahn sind wir nicht so flexibel, Auto umparken finden wir mühsam und mit den Rädern die 6km an der Hanauer -und an der Radstrecke- entlang zu fahren, kommt uns wie eine gute Idee vor. Irgendwie ist das hier sowieso ein Treffpunkt unseres Vereins und so treffen wir während des Anfeuerns hier stetig auf Vereinskollegen.

Dank Whatsapp, Athletentracker und mündlichen Erzählungen sind wir so auch immer im Bilde, was unsere beiden Athleten so machen. Schwimmen, Radfahren oder eben Laufen. Eine der drei Disziplinen wird es heute immer sein, schließlich heißt es nicht umsonst „längster Tag des Jahres“. Ich muß zugeben, dass mir die absolute Unerreichbarkeit des Ziels in diesem Jahr fehlt. Die Begeistertung brökelt nicht und ich finde es Wahnsinn, was die Athleten leisten, aber es kommt mir nicht mehr so unfassbar schwierig, unerreichbar und niemals möglich vor. Nachdem der Trainer nach der Leistungsdiagnostik am Freitag gesagt hat, dass wir im nächsten Jahr da mal drüber sprechen können, kann es gar nicht so super krass sein. Also wenn sogar ich es irgendwann machen könnte. Was die Leistung nicht schmälern, aber für mich relativieren soll.

Anfeuern

Unser Einsatz hier am Bier Hannes bzw. an der Mainkur ist wirklich gerne gesehen. Viele Athleten freuen sich wahnsinnig, dass hier der Zeugwart trommelt und wir ordentlich anfeuern. Das kleine Stimmungsnest gibt sich wirklich alle Mühe und während ich meine liebste Disziplin voll auskoste, mache ich auch zahlreiche Bilder. Das könnte fast zu meinem neuen Hobby werden, soviel Spaß macht mir die Tätigkeit hinter der Kamera. Verschiedene Perspektiven, Belichtungen, Blickwinkel, von unten, von oben oder einfach geradeheraus.

Wir sehen unsere beiden Vereinsstarter auf ihrer ersten Radrunde und freuen uns, weil beide ziemlich gut dabei sind. Was der Neue uns mit seinem Rumgebrülle sagen möchte, können wir zwar nicht herausfinden, aber wir rufen ihm zu, dass er super sei, es wäre nicht mehr weit und er soll viel lächeln. Für mehr reicht die Zeit nicht, denn kaum war er da, ist er auch schon wieder weg. Der Neue hat ziemlich gut trainiert für seine Ironmanpremiere und da wir zeitig Abendessen, denkt er sich, dass er sich lieber mal sputet. Sehr lobenswert.

Radfahren

Ähnlich macht es Lisabet, die deutlich später als der Neue, aber noch in zahlreicher Begleitung von vielen Mitathleten, bei uns vorbei kommt. Ob sie etwas ruft, kann ich nicht sagen, ich jongliere mit der Kamera um ein paar schöne Bilder zu schießen und schwupps ist sie vorbei. Unsere Anfeuergruppe spaltet sich. Einige gehen heim, wir wechseln den Platz für eine andere Fotoperspektive und warten auf die Profis. Die sollten jetzt irgendwann mal auf die zweite Radrunde gehen, sonst wird’s nichts mit dem zeitigen Essen. Und kaum denke ich mir so, dass jetzt ja mal endlich die Uhr vorbeifahren könnte, da ist sie auch schon im Anmarsch. Und hinten dran gleich der Andi Böcherer gefolgt von Kienle, Diederen etc. Die Herren fahren zügig, aber von mir trotzdem oder gerade deshalb geblitzt, an uns vorbei und läuten die zweite Radrunde ein. Bei uns kommen jetzt noch immer zahlreiche Athleten auf ihrer ersten Runde vorbei, ehe der Letzte von heute mit zwei Begleitradlern klar macht, dass das Rennen jetzt dicht ist.

Die zweite Radrunde macht uns klar, dass die Talent-, Trainings- und Geschwindigkeitsdichte bei diesem Rennen unfassbar groß ist. Es gibt zahlreiche schnelle Athleten. Gefühlt sogar wesentlich mehr, als Langsame. Die, die so ein Abenteuer wagen, scheinen sich ordentlich vorzubereiten. Zumindest kommt es uns so vor. Schon kurz hinter den Profis gibt es unheimlich viele Athleten, die Perlenschnur will gar nicht mehr aufhören. Dank Tracker und für uns grandios positionierter Zeitmatten, wissen wir ungefähr, wann der Neue oder der Grüne bei uns vorbei kommen werden. Und tatsächlich sind auch wir gut im schätzen und ich zücke die Kamera gerade richtig um die Herren ordentlich ins Visier zu nehmen. Auch anfeuern und Fotos schießen will gelernt sein. Verpassen ist ärgerlich und muß unbedingt vermieden werden. Wir warten jetzt nur noch auf Lisabet, dann wollen wir in die Stadt zurück und an die Laufstrecke.

Wir leiden mit.

Während ich mal wieder einen fotografischen Stellungswechsel vollziehe, klingelt Madita’s Telefon und Lisabet berichtet von einem Auffahrunfall. Ihr ist jemand ins Rad gefahren, sie bekommt keine Luft auf den Reifen und der Cut-off der ersten Radrunde naht. Die Uhr tickt erbarmungslos gegen die Athleten. Es ist nicht zu schaffen. Sie muß den Wettkampf aufgeben. Das ganze Team leidet mit. Das ist doch nicht zu glauben. Solange darauf hintrainiert, all die Entbehrungen und Verzichte und dann fährt einer hinten rein. Mir ist das im Kraichgau ja auch passiert, aber außer blauen Flecken, die ich erst am Abend gespürt habe, war nichts. Glücklicherweise. Schlimm, dass auch der Athlet, der Lisabet ihre Chance heute ein Ironman zu werden genommen hat, einfach weiterfährt. Wahrscheinlich hat er aber auf der Ironman Expo für fairen Sport und gegen Doping unterschrieben… zwei Blickwinkel halt. Im Wettkampf sieht Fairness offenbar dann doch etwas anders aus.

Leider können wir aus der Ferne sowieso nichts tun. Wir beschließen also die Radstrecke zu verlassen und mit den Rädern zurück in die Stadt und auf die Laufstrecke zu fahren. Vorher machen wir noch einen flotten Boxenstopp in einer der best ausgestattetsten Garagen, die ich jemals gesehen habe. Die Schwimmerin hat einen platten Reifen am Mountainbike und der Zeugwart wechselt den flott. Männer können das einfach schneller, obwohl die Schwimmerin und ich davon überzeugt sind, es auch alleine hinzubekommen. Wir verabreden uns für später auf der Laufstrecke und der Zeugwart und ich preschen am Main entlang in Richtung Gerbermühle. Dem östlichsten Punkt der Laufstrecke.

Laufstreckengrillen

Hier baut der Flitzer heute den Vereinsgrill auf. Immerhin ist unser Hauptsponsor Best Worscht in Town, so dass es nur naheliegt, dass wir bei solchen Ereignissen Currywurst mit Brot serviert bekommen. Der Flitzer ist diesbezüglich überragend organisiert und so haben wir nicht nur einen Grill inklusive Grillmeister, Currygewürzen, Brot und Ketchup, wir haben auch Getränke. Nur für die Stimmung müssen wir selbst sorgen. Da wir im Anfeuern erfahren sind, ist das kein Problem und als der Neue auf seiner ersten Runde bei uns vorbei kommt, zeigen wir allen umliegenden Vereinen und Anfeuerern mal, wie es ein Verein voller Freunde so macht. Der Neue hatte zuvor Bedenken geäußert, weil er sich unter unserer Aussage „Du wirst uns hören“ nichts vorstellen konnte, ich glaube, jetzt wird ihm einiges klar. Ganz wunderbar finde ich auch, dass die Teamchefin samt Profiathlet und zwei Sportkindern heute auch an die Strecke gekommen ist. Wir locken sie mit Best Worscht in Town an unseren Grill und es ist irgendwie fast wie früher, wenn wir uns bei den Wettkämpfen auch beim anfeuern total verausgabt haben. Ich freue mich schon, wenn das kleine Sportkind besser mitgenommen werden kann und wir dann vielleicht wieder öfter gemeinsam an der Strecke stehen oder auf der Strecke sind.

Und damit sich keiner der anderen Athleten benachteiligt fühlt, drehen die Vereine um uns rum jetzt auch mal richtig auf. Auf dem kleinen Grünstreifen kocht die Stimmung. Mehrere Trommeln, tröten und Trompeten, zusammen mit dem Gejubel, wenn man aus der Ferne jemanden kommen sieht, verbreiten Gänsehautfeeling, wie es sich eben für einen Ironman gehört. Der Neue läuft super, bekommt vom Flitzer noch den Tipp, dass der Anzug auch noch schneller laufen könnte und von mir den Hinweis, dass es ja sowieso nicht mehr weit wäre, und tatsächlich ist es nun für uns Zeit, hier die Zelte abzubrechen, wenn wir ihn im Zielkanal sehen möchten. Die Rundumorganisation macht sich schließlich nicht von alleine, also sputen der  Zeugwart und ich uns mit den Rädern. Zurück in Richtung Ziel, Messe – Expo und Wechselzone sehen wir weitere Massen an Zuschauern, die alles geben, damit ihre Athleten das Beste aus sich herausholen.

Eiserner Steg

Wir treffen unsere Vereinskollegen. In unserem Outfit sind wir nicht zu übersehen und zu überhören schon mal gleich gar nicht. Lisabet steht dabei. Sie erzählt die Geschichte wahrscheinlich nicht zum letzten Mal und teilt aber voller Motivation mit, dass sie im nächsten Jahr erneut angreifen wird. Madita ist dabei. Na bravo! Da ist mein Tag ja auch gleich toll verplant. Ich bin natürlich wieder als Anfeuerin am Start und werde vielleicht meinem neuen Hobby, der Fotografie, frönen. Ehe ich hier aber in die weitere Planung einsteige, machen wir uns auf ins Ziel. Der Neue ist gerade zum letzten Mal hier am Eisernen Steg vorbei gekommen und wir marschieren, um uns noch einen Platz auf der Tribüne zu sichern, ehe er den stimmungsvollen Zieleinlauf auf den Römerberg hochrennt.

Natürlich beginnt es gerade jetzt wie aus Eimern zu gießen. Aber für die Stimmung hier auf dem Frankfurter Römerberg ist das egal. Nicht auszudenken, was hier los wäre, wenn das Wetter gut wäre! Die Menge tobt.

Der Neue läuft erlöst und sehr sehr glücklich ins Ziel und auch seiner Familie ist die große Freude, dass er seinen Traum ein Ironman zu werden erfüllen konnte, ins Gesicht geschrieben. Der Zeugwart und ich quatschen noch ein bischen mit den Teamkollegen, ehe wir uns total erschöpft, aber zufrieden in Richtung Auto und damit ohne große Umwege auf das Sofa begeben. Das war mal wieder ein wunderbarer Tag!

Über 550 weitere Bilder, die ich gemacht habe, gibt es hier.