Heute ist das Morgen da, das, was ich eigentlich von langer Hand geplant hatte, aber auch das Morgen, was anders läuft, als gedacht. Wir sind, wie im letzten Jahr, als Zuschauer im Kraichgau und nicht, als Athleten. Die Zeit zum Aufstehen ist trotzdem früh und wir schnuppern schon beim Frühstück etwas Wettkampfluft. Die Athleten, die auch im Hotel geschlafen haben, sind bereits in ihren Wettkampfanzügen, die Begleitungen bekommen letzte Instruktionen, hier und da werden letzte Verpflegungsbrötchen für die nächsten Stunden geschmiert, damit dann ab 9h, wenn es endgültig losgeht, auch nichts mehr schiefgehen kann.

Nach dem Frühstück packen wir zusammen und fahren zur Radstrecke. Wir beziehen Stellung und quatschen noch ein bisschen, bis es ernst wird. Unsere Zeitplanung ist gigantisch und so habe ich genügend Gelegenheiten meine Kameraeinstellungen zu testen und dank der Touristenradler, die die gesperrte Strecke für ihren Sonntagsausflug nutzen, auch ein paar bewegte Motive, die sich zum Üben eignen. Na und ehe meine Hauptathleten kommen, schickt der Veranstalter ja netterweise noch die Profis ins Rennen, sodass ich da einige Übungskandidaten vor die Linse bekomme. Profis werden ja von jedem fotografiert, die sind immer voll da und irgendwie auch immer fotogen. Die wahren Helden sind natürlich unsere Athleten, die in ihren Altersklassen um Platzierungen kämpfen, oder einfach ankommen wollen.

Es geht nicht immer um das Vorne oder um das Gewinnen gegen Andere. Auch beim 70.3 geht’s oft ums ankommen, darum gesund zu bleiben und seinen inneren Schweinehund in den Griff zu kriegen. Es geht darum, das Trainierte punktgenau auf die Strecke zu bringen, das, was man sich erarbeitet hat, umzusetzen. Hätte ich irgendwie auch gerne gemacht heute. Na ja. Jammern bringt keinen weiter. Wir entdecken die meisten „unserer“ Athleten rechtzeitig um sie mit persönlichen Wünschen auszustatten und ein Bild von ihnen zu machen. Manche fahren unter unserem Radar vorbei, sind nicht zu erkennen oder in der Masse von schwarzen und blauen Anzügen mit ihren Versionen derselben, einfach untergegangen. Wenn man keine Aufmerksamkeit erregen möchte, sollte man einen schwarzen oder dunkelblauen Anzug wählen, die sind häufig.

Die Radler fahren trotz leichtem Anstieg hier und deshalb vermeintlich gutem Fotopunkt rasend schnell an uns vorbei und dann wird’s auch schon zeitkritisch. Denn wenn wir Jan Frodeno beim Wechsel erleben wollen, dann sollten wir jetzt an die Wechselzone spazieren. Der hat nämlich bereits über 80 km auf dem Rad absolviert und da er im Kraichgau nur 90 km fahren muss, und die letzten Kilometer ausschließlich Berg abgehen, wird er schneller da sein, als ich schauen kann. Und tatsächlich muss ich an der Wechselzone nicht lange warten und eine jubelnde Menschenmenge begrüßt ihn frenetisch klatschend und lärmend. Oropax im Wechselbeutel wären hier angebracht. Beim Verlassen der Wechselzone gibt er so viel Gas, dass er fast aus der Kurve fliegt und in der Absperrung landet. Schneller, als wenn ich zum Bus renne, soviel ist mal sicher.

Während er auf der Laufstrecke die Kilometer abspult und uneinholbar erscheint, purzeln weitere Athleten in die Wechselzone. Profis wie Altersklassenathleten machen sich nach ihren möglichst kurzen Wechseln auf die Jagd und rennen durch die Mittagshitze.  Alle jagen Jan Frodeno und keiner holt ihn ein. Er läuft ein einsames Rennen an der Spitze, ob das immer schön ist? Unsere Athleten laufen mehr oder weniger einsam, sie kämpfen gegen die Hitze, gegen ihre eigenen Ziele oder gegen frühere Zeiten. Bei manchen zieht, dass ich mitteile, der Tonangeber sagt, sie könnten mehr und schneller. Schon geben sie etwas mehr Gas und ich entschuldige mich klammheimlich und still für diese Notlüge. Aber der Tonangeber hat auch immer einen guten Spruch auf Lager, sodass es gut sein könnte, dass er das denkt und gesagt hätte. Da die Athleten auf der Strecke eh keine Notizen machen, bin ich aber sicherlich fein raus, weil später wird keiner nachfragen, ob der Tonangeber das wirklich gesagt hat.

Heute kommen all unsere Athleten gesund ins Ziel. Nicht alle sind glücklich mit ihren Leistungen, manche schimpfen, dass sie nie wieder auf so eine verrückte Idee kommen werden und andere strahlen mehr, als Laura Phillip, die das Rennen bei den Frauen für sich entscheiden konnte. Und ich? Ich nehme mir, zusammen mit Lisabet vor, dass wir im nächste Jahr gemeinsam an der Startlinie stehen werden und Madita, die heute beim 5150 startet und deshalb noch auf der Strecke ist, ebenfalls anmelden. Es ist immer gut Pläne zu haben, auch wenn ich jetzt erst mal ins Krankenhaus muss. Danach sind wir alle schlauer.

Ich bin vom anfeuern heute so geschafft und müde, wie 2016 nach meinem eigenen Wettkampf nicht. Irgendwas stimmt also hier nicht. Das muss gelöst werden.