Natürlich beginnt unser Tag heute früh, denn endlich ist er da, der Ironman Frankfurt Sonntag. Lovis, der Zeugwart und ich haben gestern Abend noch alles genau besprochen und geplant und so sind wir heute diejenigen, die -ähnlich wie die zahlreichen Athleten- einem ausgeklügelten Plan folgen wollen. Wir packen Getränke und alles, was man sonst noch so braucht und fahren mit dem Auto nach Frankfurt. Dort finden wir einen großartigen Parkplatz und marschieren an die Radstrecke. Tatsächlich sind wir überpünktlich und schaffen gerade noch so ein gemeinsames Skylinebild, ehe es auch schon ernst wird.
Beste Zeitplanung
Temperaturmäßig sind wir jetzt schon bei gefühlten 25°C. Und natürlich steigt die Temperatur gleichförmig zur Aufregung an, als wir nun den Hubschrauber vom HR hören können und die Polizeikolonne vorbei kommt, um die Straße für das anstehende Radrennen vom Ironman Frankfurt zu sperren. Unser Timing wird wirklich von Jahr zu Jahr besser. Wir sind kaum mit unseren Einschätzungen zum Thema, wer kommt wohl zu erst vorbei, fertig, als Jan Frodeno auch schon auf uns zukommt. Wie eine Rakete. Sein weißer Anzug ist von weitem zu sehen. Es sieht schlichtweg mühelos aus, wie er sich durch die Häuserschluchten auf die Europäische Zentralbank zubewegt, begleitet von zahlreichen Motorrädern und natürlich dem Fahrzeug, mit der Uhr auf dem Dach, dass die Rennzeit anzeigt. Bei uns gibt’s einen kurzen Fahrfehler und Frodo muß zum ersten Mal am heutigen Sonntag sein fahrerisches Können unter Beweis stellen. Viele Stunden im Sattel, und vor allem draußen, zeigen, dass es sich durchaus lohnen kann, auch seine Radbeherrschung zu trainieren.
Die Verkehrsinsel auf der Hanauer Landstraße findet er zwar komisch und weiß im Nachinhein auch, dass die Strecke besser rechts entlang geführt hätte, aber aus dem Konzept bringt es ihn erfreulicherweise nicht. Deshalb predigt der Zeugwart mir auch oft, dass Fahrrad fahren hauptsächlich von Fahrrad fahren kommt und Rolle fahren zwar für die Kondition gut ist, aber für das fahrerische Können überhaupt gar nichts tut. Bordsteine, Absätze, Schotter und rutschige Markierungen kann man auf der Rolle nicht simulieren. Sowas übt man. Draußen. Radbeherrschung eben. Der Zeugwart muß gar nichts erwähnen heute, ich weiß genau, dass er Recht hat und der Frodo eben genau diese Radbeherrschung hat, auf die es ankommt. Und ich weiß auch, dass es absolut sinnvoll ist, dass ich weiter an meiner Radbeherrschung arbeite.
Verfolger nicht in Sicht
Die Verfolgergruppe beim Ironman Frankfurt lässt sich Zeit heute. Ich schaue nicht auf die Uhr, aber es sind ganz sicher ein paar Minuten, die Jan Frodeno bereits Vorsprung hat. In der Zwischenzeit haben zwei tolle Polizisten ein paar Pylonen gestellt und damit dafür gesorgt, dass die weiteren Athleten hier bei uns nicht mehr ihr fahrerisches Können unter Beweis stellen müssen. Dann geht alles ganz fix und binnen nur weniger Minuten rasen Sebastian Kienle, Bas Diederen und zahlreiche weitere Verfolger, inklusive Patrick Lange, an uns vorbei. Die Profiherren sitzen tief in ihren Rädern und haben die Aeroposition wirklich ausgefeilt. Die Köpfe werden so tief zwischen die Schultern gehalten, dass ich schon vom Zusehen meinen Nacken spüre. Der Blick fixiert den Straßenbereich kurz vor dem Vorderrad, da kann man nur hoffen, dass dieser Winkel in brenzligen Situationen ausreicht oder dass die Athleten zackig vom Auflieger unten sind und den Lenker greifen können. Auch eine Frage der Radbeherrschung natürlich.
Womit wir wieder beim Thema wären.
Wie so ein Athlet mit Ambitionen, und dazu zähle ich heute alle Teilnehmer, auf seinem Rad sitzt und wie er sich auf selbigem so verhält, ist an dieser Position hier auch wirklich gut zu beobachten. Und es ist lehrreich. Offenbar ist Indoor Training tatsächlich mittlerweile sehr viel beliebter, als noch vor einigen Jahren. Oder Radbeherrschung ist einfach unmodern geworden. Ich kann alles mögliche sehen, angefangen von wirklich sehr schlecht eingestellten Rädern, zu große Rahmen und Athleten, die bereits hier, bei Km 13 fast am Limit sind. Und dann gibt’s natürlich auch die Anderen. Die, die mit ihrer Freude am Rad fahren alle mitreißen. Die, die es schaffen, dass die Zuschauer in Entzückungsrufe ausbrechen und die förmlich über die Radstrecke fliegen. Nachdem alle Teilnehmer, die uns wichtig waren vorbei gefahren sind, und die Profis ihre zweite Radrunde beim Ironman Frankfurt begonnen haben, laufen wir zum Auffüllen der Flüssigkeiten zurück zum Auto und dann weiter zum Eventbereich.
Ein Messebesuch gehört dazu
Natürlich bietet es sich für jeden Zuschauer des Ironman Frankfurt zu diesem Zeitpunkt an, über die Messe zu schlendern. Die Temperaturen sind mittlerweile schon weit über dem hochsommerlichen Bereich angekommen. Und so freue ich mich einmal mehr über die Möglichkeit meine Wasserflasche am Mainova Stand aufzufüllen. Auf der Expo gibt’s wunderbar viel zu sehen. Natürlich treffen wir auch einige Freunde und Bekannte, die ebenfalls an der Strecke rumhängen und derzeit darauf warten, dass ihre Schützlinge auf den Laufteil wechseln. Gefühlt sind alle Athleten nun in der Wetterau auf dem Rad unterwegs.
Wenn man vor Ort ist, bekommt man die Stimmung und das Gänsehautgefühl zwar viel mehr mit, als daheim vor dem Fernseher, aber man ist auch längst nicht so gut informiert. Dass es einen Raddefekt gab und Patrick Lange sich beim Reifenwechsel nicht mit Ruhm bekleckert hat, erfahren wir z.B. von einem Aussteller. Und dass Sebastian Kienle am Waldsee anscheinend in etwas hineingetreten ist und man noch nicht absehen kann, ob er überhaupt in die Laufschuhe wechselt, erfahren wir durch eine Nachricht über das Handy. Die Daheimbleiber sind in vielerlei Hinsicht gut informiert. Und sicherlich auch deutlich besser gekühlt und versorgt, als wir. Obwohl wir uns, was die Versorgung mit Essen und Getränken heute wirklich absolut vorbildlich verhalten und tun, was wir können. Trotzdem ist es bereits um die Mittagszeit mehr als anstrengend.
Auch als Zuschauer gut versorgt
Es fühlt sich an, als würde ich in einem Backofen stehen. Fast unerträglich heiß. Wir schmieren Sonnencreme nach und wechseln nun auch tatsächlich in die Sonne. Jede Minute ist mit den ersten Männern auf der Laufstrecke zu rechnen. Alle gut informierten um uns rum, die entweder den Athletentracker verfolgen oder eben von Daheimgebliebenen Fernsehzuschauern auf dem aktuellen Stand gehalten werden, wissen, dass Jan Frodeno und Sebastian Kienle nur knappe 350m von uns entfernt gerade gemeinsam in die Wechselzone des Ironman Frankfurt gefahren kamen. Die beiden Athleten sind also praktisch gleich auf. Nun kommt es nur darauf an, wer sich schneller die Laufschuhe anziehen kann. Und nur wenige Augenblicke später, rasen die Herren an uns vorbei. Kurz hintereinander, und ich frage mich, ob wirklich nur mir alleine heiß ist, in diesem Backofen.
Weder Jan Fordeno, noch Sebastian Kienle, oder irgendein anderer der Profiathlten, die nun nach und nach auf die Laufstrecke wechseln, machen einen angestrengten Eindruck. Das viele Training, die unzählbaren Stunden der höchstwahrscheinlich letzten Jahre, haben sich anscheinend ausgezahlt. Bei extremen Bedingungen zeigt sich der Körper eben auch extrem und wer das Training entsprechend umsetzt, der kann das nun offenbar auch abrufen. Ich bin beeindruckt und trinke erst mal noch was, ehe ich mich zum gefühlt 10. mal bei der Mainova in die lange Schlange stelle, um meine Flasche auffüllen zu lassen. Der Zeugwart arbeitet auch noch mit kühlenden Materialien und ist so mit seiner Technik noch weiter vorne, als Lovis und ich. Ich schmiere nochmals Sonnencreme nach. Wenn ich morgen nicht braun bin, dann weiß ich es auch nicht. Gefühlt habe ich jetzt schon Farbe, als wäre ich in Spanien aufgewachsen und fühle mich regelrecht südländisch.
Alles nah beieinander
Mittlerweile laufen auch schon zahlreiche Altersklassenathleten auf der Laufstrecke rum und als Jan Frodeno ins Ziel läuft und Bas Diederen auf seine letzte Laufrunde geht, beschließen wir, der Gesundheit zu Liebe, unsere Anfeuerungszelte nun abzubrechen. Wir können kaum so viel trinken, wie es nötig wäre und sind ganz schön geschlaucht, von den Temperaturen. Der Staub und Dreck sitzt irgendwie überall und ordentlich geschafft bin ich auch. Die Hitze ist unerträglich. Auf dem Weg zurück zum Auto treffen wir noch die Vereinsmädels und beobachten dann noch ein paar Athleten. Das Wettkampffieber hält einige am Laufen, die es einfach unbedingt in das Ziel auf dem Römerberg schaffen möchte. Ich verstehe jeden Einzelnen von ihnen. Alle, die es unbedingt schaffen möchte, genauso wie die, die aufgeben und es an einem anderen Sonntag nochmals probieren werden. Alle Perspektiven, Freud und Leid, Leidensfähigkeit und Gesundheitsgefährdung. Der Wunsch ins Ziel zu rennen, genauso wie die Vernunft, das alles liegt heute ganz nah beeinander.
In der kühlen Wohnung verfolgen wir den Rest des Rennens. Irgendwann fährt Lovis dann auch nach Hause. Der Räuberhauptmann und sie schauen bestimmt noch die letzten Finisher an. Die können sich bis um 22h noch ihre Medaille abholen. Ich falle deutlich vor 22h ins Bett, weil der Akku einfach leer ist. Ich bin einfach nicht gut trainiert. Der Ironman ist erneut ein gutes Stück weggerückt aus meiner Welt.