Zuhause ist es wirklich schön, vor allem schön anstrengend. Automatisch möchte ich nicht den ganzen Tag in Schlabberklamotten rumlaufen, sondern mich richtig anziehen. Das ist schon mal die erste Hürde. Anziehen. Ich bin unbeweglich und habe glücklicherweise Zugriff auf den gut gefüllten Kleiderschrank des Zeugwarts. So kann ich mich in eines seiner T-Shirts reinarbeiten und bin dann zwar etwas großzügig angezogen, aber das Ergebnis ist entscheidend: Ich trage frische Kleidung. Unfassbar wie schnell die Zeit vergeht, wenn man so beschäftigt ist. Wirklich helfen, kann man mir beim anziehen auch nicht, weil ja nur ich weiß, wie ich mich am besten bewegen kann, und wie eben auch nicht.

Neue Grenzen

Ich bin unfassbar unfit und immer noch genauso langsam wie im Krankenhaus. Zwar kann ich die Treppe gut hochgehen und komme nicht aus der Puste, aber jede andere Strecke, die etwas länger ist, wird zur Tagesaufgabe. Ich schaffe keine 400m am Stück zu gehen. Wenn wir mit dem Auto irgendwo hinfahren, zucke ich permanent zusammen, weil es entweder eng wird, oder ich Gefahren sehe, wo gar keine sind. Ständig muß ich mich mal hinsetzen um eine Pause zu machen, oder ich schlafe mal eine Stunde zwischendurch. Ich nehme gefühlte Unmengen von Medikamenten und trotzdem zwickt und zwackt immer was.

Alpträume

Und immer, wenn ich die Augen zumache, kommen die Dämonen. Ich träume schlecht. Jedes Mal. Entweder ich sterbe oder jemand, der mir Nahe steht, oder jemand Fremdes und ich bin dabei. Es ist immer ein Unfall. Nicht immer ein Fahrradunfall, meinen Träumen ist jede Art Unfall recht, aber immer ist es ein Unfall. Und ich schaue zu. Entweder ich sehe mich selbst, oder ich sehe die Anderen… und ich kann nie etwas tun.

Ich wache immer schweißgebadet auf und bin nie erholt. Das war im Krankenhaus schon so und ich hoffe, dass ich es hier daheim wirklich bald los werde. Wahrscheinlich tut der Medikamentencocktail sein übriges dazu? Ich versuche mir positive Gedanken  zu machen. Gerade jetzt, wo ja eigentlich alles „nur noch“ gut werden muß, wäre es doch fatal sich keine guten Gedanken zu machen. Das Schwierigste ist ja rum. Aber nicht für meinen Kopf.

Erklärungen

Alle Welt, also gefühlt jeder, mit dem ich spreche, erwähnt, wieviel Glück ich hatte, dass der fliegende Freund den Krankenhaustip gegeben hat. Irgendwie kennt jeder jemanden, der zumindest mal jemanden kannte, der auch einen Pneumothorax hatte. Teilweise sind die Geschichten motivierend, oftmals machen sie mir aber Angst. Angst vor dem, was kommt. Angst vor der Zukunft. Was wird wohl werden? Kann die Lunge wieder? Ich war ziemlich gut trainiert, kann ich das wieder erreichen? Wenn ja, in welchem Zeitfenster? Und was, wenn nicht? Warum hackt jeder auf dem Unfall rum? Wahrscheinlich, weil die Menschen denken, erzählen ist verarbeiten und das hilft.