Heute ist der letzte Tag unserer Mietvereinbarung der Räder und wir beschließen, dass wir die Rückgabe mit einer Tour über den Lluc verbinden. Die Schaltung an meinem Rad ist weiterhin holprig und einige Gänge lassen sich kaum mehr schalten, die Hinterradbremse vom zeugwartschen Fahrrad greift praktisch nicht. Das müssen wir später unbedingt mitteilen, wenn die Räder so an jemanden weitergegeben werden, hat derjenige keinen Spaß. Mir machen ein paar Gänge weniger nichts aus, das ist wirklich cool. Von unserem Domizil aus fahren wir auch heute wieder ganz wunderbar abgelegen durch die Gärten.
Der Anstieg zum Lluc erfolgt über das kleine Dorf Caimari. Hier steht das fotogene rote Kloster Lluc Sehenswürdigkeitenschild und hier beginnen die Steigungsprozente mehr zu werden. So wirklich krass steil ist die Anfahrt zum Lluc nicht und natürlich auch nie gewesen. Aber es geht gute 8 Kilometer kontinuierlich Berg an und das ist eben auch anstrengend. Für mich in den letzten Jahren oftmals so heftig anstrengend, dass ich mehrere Pausen gebraucht habe. Das Bewusstsein habe ich heute nicht. Heute fahre ich am roten Schild vorbei und bin einfach super gut gelaunt.
Dass ich zwischendurch anhalten könnte, ist nicht allgegenwärtig. Ich fahre einfach. Nach wenigen Metern überholt mich der Zeugwart und ich zähle mit. Eins. Mal sehen, wie viel Betrieb auf der Auffahrt heute ist und ob ich auch in die Situation komme, jemanden zu überholen. Ich vermute, das wird nicht der Fall sein, aber da alles möglich ist, werden wir schon sehen. Zwei, drei. Die beiden Radler sind sehr schick angezogen in ihren Café de Cyclist Klamotten und fahren an mir vorbei, als würde ich stehen und sie säßen auf E-Bikes. Aber das ist nicht der Fall. Unsere Geschwindigkeit ist trotzdem extrem unterschiedlich.
Da heute Samstag ist, fahren hier auch jede Menge Autos und Reisebusse hoch, während mich Massen an Radlern ebenfalls überholen. Insgesamt komme ich auf 37 Radfahrer, die heute hier an mir vorbeifahren. Und davon haben 100% gegrüßt. 34 haben mich angefeuert und in den verschiedensten Sprachen mitgeteilt, dass ich das hier großartig mache, prima aussehe, mein Trikot cool ist oder sie an der Tankstelle auf mich warten werden. Im Gegenzug habe ich mehrfach erwähnt, dass die Herrschaften langsam machen sollen, weil sie mit ihrer Geschwindigkeit die hübsche Gegend ja kaum wahrnehmen können. Die Stimmung am Anstieg ist wirklich hervorragend.
Ich werde sogar zweimal angeschoben. Am Rücken und wirklich total nett. Allerdings merken die Schieber schnell, dass sie sich damit wohl etwas übernommen haben und lassen nach. Kein Problem. Ich empfehle auch hier, einen Blick auf die hübsche Natur und die schöne Gegend zu werfen und sich nicht so sehr auf die Geschwindigkeit zu fokussieren. Allerdings bin ich mit dieser Ansicht offensichtlich ziemlich alleine am Berg. Aber gut. Ich nutze die Sprachsteuerung an meiner Kamera, um die Gegend etwas einzufangen und pedaliere ansonsten konzentriert und stabil immer weiter. Wenn ich so weitermache, dann fahre ich hier heute einen Rekord hoch, soviel ist sicher.
Der Zeugwart ist gute 4 Minuten vor mir oben an der Tankstelle und ich fahre in deutlich weniger als 53 Minuten hoch. Das ist meine letzte Bestzeit von 2019. Toll. Das ist wirklich super cool, und zwar vor allem deshalb, weil ich mich gar nicht richtig fit fühle heute. An der Tankstelle bin ich heute nach 45 Minuten. Rekord! Hier steht eine große Masse an Radfahrern und eine fast ebenso große Traube an Sportlern auf Skikes. Da diese Sportgeräte keine Bremsen haben, finde ich das fast noch beeindruckender, als hier mit dem Rad hoch und runter zu fahren!
Wir fahren in Richtung Pollenca ab und ich ziehe meine Regenjacke als Windschutz an. Durchgeschwitzt durch den Oktober heizen ist auch auf Mallorca etwas kühl. Obwohl die Sonne alles gibt. Auf der Abfahrt überholt mich ein Tandem in einer krassen Geschwindigkeit und als ich unten angekommen bin, sagt der Zeugwart, dass ihm nur Radfahrer in Regenklamotten entgegen kommen und die Autos ihre Scheibenwischer anhaben. Na, da lasse ich die Regenjacke doch glatt an. Tatsächlich regnet es ein paar Tropfen, bis wir am großen Kreisel sind. Dann ziehen wir die Regenjacken wieder aus und biegen in einen tollen Weg ab, der uns wieder durch die Gärten führt. Abseits des Verkehrs zum Meer.
Unser Ziel für die heutige Ausfahrt ist die Radstation in Port d’Alcudia, wo wir die Räder am Mittwoch abgeholt haben. Hier erwähnen wir die Schaltungsthematik und die nicht gut funktionierende Bremse, aber die zwei Herren, die unsere Räder entgegen nehmen sind recht unbeeindruckt. Jedes Rad wird jetzt eh gewaschen und dann durchgeschaut, da werden die Themen gleich mit abgehandelt. Wir haben an den vier Tagen gute 190 Radkilometer gesammelt. Dafür, dass ich mich schlapp gefühlt habe, finde ich das doch ganz gut. Dank des herrlichen Sonnenscheins habe ich auch ein bisschen Vitamin D aufgetankt, denke ich zumindest. Das Fazit ist also, dass man auch im Oktober auf Mallorca richtiges Wetterglück haben kann und die Insel für Radler auch im Herbst einiges zu bieten hat.