Schon im letzten Jahr haben ein Teil des besten Vereins der Welt und wir Hotelzimmer in Düsseldorf reserviert. Als ich gestern auf die Bestätigung schaue bin ich von unserer Planungsvorfreude erstaunt, am 21. Juni letztes Jahr, war uns bereits klar, dass wir heute für den Grand Départ hier sein werden. In Düsseldorf. Einer Stadt, die mir aus frühster Kindheit vom Dialekt und vom Auftreten ihrer Bewohner noch in guter Erinnerung ist. Später habe ich dann eine Chefin aus Düsseldorf gehabt, die meinen Eindruck weiter bestätigt hat. In Düsseldorf hat man Geld und scheut sich nicht es zu zeigen.

Gute Lage

Unser Hotel liegt 2 Minuten von der Kö entfernt, der Prachtstrasse, wo sich die Schönen tummeln und die Reichen ihr Geld lassen können, wenn sie das möchten. Trotzdem ist die Kö auch für den normal Sterblichen eine gute Shoppingadresse. Der Zeugwart und ich sind gestern angekommen und gleich mal durch die Stadt gebummelt. Nach einem schnellen, extrem leckeren Fairtrade Kaffee in der Mayerschen Buchhandlung und einem kurzen Streckencheck, spazierten wir über einen Fahrradladen zurück ins Hotel, trafen die Mitgereisten und verspeisten mit großer Vorfreude besonderes leckeres mexikanisches Essen.

Heute früh gibt es ein sehr gutes Frühstücksbüffet und dann die Entscheidung, dass wir gleich aufbrechen. Kurvenplätze, so denken wir uns, sind beliebt und besonders toll zum zuschauen. Und weil wir besonders ausdauernd sind, wollen wir das heute beim Zeitfahren des Grand Départ der Tour de France auch unbedingt beweisen. Früh stellen wir uns an ein Gitter und stehen und stehen und stehen.

Stundenlang. Wir beweisen wirklich Ausdauer. Ich habe wahrscheinlich noch nie so lange an einem Fleck gestanden.

Wir entdecken Claude an der Strecke, während sich die Teams auf der Strecke warm fahren. Es ist wirklich klasse so nah dabei zu sein und jeden Fahrer, den man bisher nur aus dem Fernsehen kannte direkt vor sich zu sehen.

Düsseldorf

Seit dem ich mit der Hübschen auf Mallorca das Team Movistar in Randa beim Training gesehen habe, bin ich ein Fan. Also kein richtig verrückter Fan, aber ich finde schon den Teamnamen toll und die Farbgestaltung gefällt mir auch. Und dass es ein passendes Lied gibt, ist natürlich gigantisch. Ich freue mich also immer besonders, wenn mal ein Movistar vorbeikommt. Und natürlich flippt unsere Kurve ganz besonders bei den deutschen Fahrern aus.

Es regnet mal kräftig, mal gar nicht, aber unsere Kleidungsauswahl ist prima und so stört uns das Wetter nicht. Wir können es ja sowieso nicht ändern, warum also ärgern? Und wir finden es so gigantisch alles aus nächster Nähe zu sehen, dass es auch hageln könnte, es würde an unserer Stimmung nichts ändern. Herzukommen war eine wirklich tolle Entscheidung!

Start in Sicht

Nach endloser Wartezeit, die wir fast regungslos am Gitter verbringen, während immer mal einer wegspaziert um Verpflegung oder Getränke zu besorgen oder ein Dixieklo aufzusuchen und wir anderen uns sofort breit machen, gibt’s mehr Bewegung auf der Strecke als die ganze Zeit. Die Polizeimotorräder werden mehr. Unsere Kurvemitwartenden sind mittlerweile gute Bekannte. Die meisten machen sowas öfter. Es sind geübte Franzosen, die scheinbar immer zur Tour de France reisen und diesbezüglich perfekt ausgerüstet sind.

Werbebanner wegfalten, Regenschirm, Hocker oder Stuhl, Cape, Kamerastativ, Regenschutz für die Kamera und natürlich entsprechende Verpflegung. Der Zeugwart und ich sind zwar ebenfalls gut vorbereitet, aber wir könnten die Planung noch ausweiten. Und dann geht es los mit der vor jeder Etappe stattfindenden Werbekarawane. Bunt dekorierte Fahrzeuge, laute Musik und jede Menge Werbegeschenke, die keiner braucht, jeder aber natürlich trotzdem haben möchte. Teilweise so schwungvoll geworfen, dass die Entscheidung ob man einen Schlüsselanhänger haben möchte von der Angst um ein verlorenes Auge überschattet wird. Da hilft oft nur wegducken.

Trotzdem ist die Werbekarawane ein wirklich großes Spektakel und sie heizt die Stimmung noch etwas auf.

Als dann das Straßensperrenfahrzeug der deutschen Polizei die rote Flagge herumfährt und die Aufregung steigt, sind wir voller Erwartungen. Im Fernsehen bekommt man ja vom Moderator immer noch alles mögliche erklärt, hier bleibt das aus. Was sagt uns die Anzeige, die wir weiter oben auf der Kö sehen? Wie wissen wir jetzt genau, wann es losgeht?

Und dann geht alles ganz schnell, wie Weihnachten, das ist ja auch auf einmal da. Zwei Motorräder, links immer der Franzose und rechts sein deutscher Kollege fahren voran, kurz hinter ihnen kommt einer von 198 qualifizierten Tour de France Teilnehmern auf seinem Rad und dann folgt sein Teamfahrzeug dicht gefolgt von einem Veranstalter Auto. Die Reihenfolge ist immer die gleiche. Und da die gesamte Strecke von 14km dicht gesäumt von Schaulustigen ist, schwebt eine Applaus- und Anfeuerungswelle mit den Radfahrern mit. Wir wissen so also bereits kurz vorher, dass jemand näher kommt.

Bei jedem Fahrer flippt die Menge aus, aber was bei den deutschen Radlern los ist, übertrifft wirklich alles. Unfassbar, was unsere Kurve und dann die Kö aufwärts für einen Lärm machen können. Es wird geklatscht, gejubelt und getrötet, die Stimmen überschlagen sich vor Begeisterung und dann ist der Radfahrer auch flott schon wieder vorbei. Wahrscheinlich mit einem deutlich wahrnehmbaren Ohrgeräusch. Hoffentlich hat der Teamtross auch einen HNO Arzt an Bord!

Nach mehr als 8 Stunden an unserem Gitter sind wir froh und traurig zu gleich, als wir Chris Froome als Letzten am heutigen Tage vorbeisausen sehen. Er bekommt natürlich, trotz der späten Stunde, ebenfalls eine frenetische Anfeuerung und ist schon auf dem Weg zum Ziel an der Düsseldorfer Messe. Wir marschieren ins Hotel. Der Zeugwart und ich stellen fest, dass unsere Regenjacken jeden Cent wert waren, manchmal ist so eine gute Grundausstattung wirklich sinnvoll.

Wir essen heute um die Ecke bei einem leckeren Italiener noch ganz hervorragend zu Abend und fallen dann alle ziemlich erschöpft ins Bett. Morgen steht uns ein weiterer fahrradlastiger Tag bevor! Ich freue mich schon.