Frühes aufstehen, langes rumstehen, wenig sitzen, viel rumschreien, klatschen , Emotionen , mitfiebern, Zwischenzeiten checken, Fotos machen und bei all dem, sich nicht selbst vergessen. Was nützen die besten Streckenunterstützer, wenn sie vor Erschöpfung umkippen? Sich selbst versorgen ist eine weitere wichtige Disziplin. Der Zeugwart und ich sind über das Wochenende weiterhin in Hamburg. Vor dem Wettkampf wieder heim fahren wäre ja auch irgendwie schräg geplant. Am Samstag startet in Hamburg das Jedermannrennen mit den ersten Sonnenstrahlen. In verschiedenen Startgruppen geht es in die Alster, dann in die Wechselzone am Ballingdamm, auf’s Rad und der Lauf führt die Athleten publikumswirksam zum Ziel vor dem Hamburger Rathaus. Hier startet jeder, der mal schnuppern möchte. Das ist das Schöne an diesem Wettkampf.

Der Zeugwart und ich verbringen einige Zeit an der Strecke und wechseln dann zum Zieleinlauf. Hier finden sich auch die Staffelteams zusammen, um gemeinsam über den ITU – blauen Teppich ihrer Medaille entgegen zu laufen. In Hamburg ist blau die Farbe der Wahl, zumindest für diesen Wettkampf. Neben mir steht eine ältere Hamburgerin. Ich finde, viele Einwohner dieser Stadt erkennt man sofort. Hamburgerinnen sind gut gekleidet, entsprechend gestylt und erscheinen selbst zum anfeuern an der Triathlonstrecke in Ballerinas und mit ihrer teuren Lederhandtasche. Nicht zu vergleichen mit mir. Ich stehe hier in Jeans und Turnschuhen, ohne Handtasche, dafür mit Rucksack und Pulli. Von Stil keine Spur, oder zumindest keine, die auf Hamburg hindeutet. Hier am Jungfernstieg, in Rathausnähe, geht es auch um das Sehen und Gesehen werden, egal, ob Triathlon ist, oder nicht. Die Dame spricht mehr zu sich selbst, als zu mir, trotzdem komme ich nicht umhin anzuhören, dass sie sich über diesen doch sehr sozialen Sport freut, weil sich die Sportler während des Zieleinlaufs an den Händen nehmen.

Und das, wo Triathlon doch eigentlich eine Einzelsportart sei. Ich helfe bereitwillig mit der Information über die gestarteten Staffeln aus und die Dame freut sich sichtlich, dass ihre ursprünglichen Triathloninformationen richtig waren. Und sie ergänzt, dass sie sich sowieso schon gewundert hat, wer hier so alles ins Ziel läuft, denn Menschen über 70kg sollten ja eigentlich wissen, dass sie nicht für Triathlon gemacht sind. Ahja. Arme Frau. Ich wünsche ihr noch einen herrlichen Tag in ihren Ballerinas und verdrücke mich, ehe wir in eine nicht lösbare Diskussion abgleiten, warum es wohl Jedermann Distanz heißt.

Am Nachmittag finden wir uns zu den Eliterennen vor dem Rathaus ein und suhlen uns in Sportnationalstolz. Die Damen beginnen und über die Leinwänden können wir das Schwimmen verfolgen. In der Wechselzone ist schnell die Hölle los, weil keine hier auch nur eine Sekunde verschenken möchte und schon sitzen die Ladies auf dem Rad und sind unterwegs.

World Triathlon

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Jedes Mal, wenn ich die schnellen Wechsel ansehe, bin ich mitgestresst. Diese Damen sind so verdammt schnell aus ihren Neoprenanzügen raus, dass ich kaum so schnell scharf stellen kann, wie es passiert. Zusätzlich sind die Abläufe einfach so extrem eintrainiert, dass jeder Handgriff sitzt. Da wird nicht noch überlegt, ob jetzt Helm zuerst, oder Brille zuerst. Es wird genau abgearbeitet, ohne Nachzudenken. Es scheint, als wäre der Wechsel tatsächlich eine ausgiebig trainierte Disziplin und käme zwischen Schwimmen, Athletiktraining, Radausfahrten und Laufeinheiten auch noch mit auf den Plan. Ohne intensives Training könnte das nicht so sitzen.

Wir verfolgen das Radrennen auf den Leinwänden und natürlich live, direkt vor unserer Nase, wenn die Athletinnen vorbei brettern, als wenn der Teufel hinter ihnen her wäre. Die Damen treten so kraftvoll in die Pedale, die Geschwindigkeit, trotz enger Kurven in der Stadt, ist jenseits von gut und böse und ich mache ein paar schöne Aufnahmen. Tatsächlich auch von Sportnationalstolz getrieben, von Laura Lindemann, die sich hier, vor dem Hamburger Publikum vollkommen verausgabt.

Laura Lindemann

World Triathlon

Leider passiert auf der Radstrecke, gerade am Ausgang der Wechselzone ein Unfall, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, an dem ich hinsehe. Was ein Schreck. Ich leide mit. Natürlich sind die Ersthelfer blitzschnell vor Ort und auch die Rettungssanitäter sind gleich da, aber das lindert nicht die Schmerzen und macht die Verletzungen, mit denen die Athletinnen klar kommen müssen, nicht weniger schlimm. Soweit ich das sehen kann, sind zwei Athletinnen beteiligt, die auch einfach nur liegen bleiben. Regungslos. Ich erinnere mich zurück, wie es mir nach meinem Radsturz im letzten Jahr ging. Der ist mittlerweile fast ein Jahr her.

Die anderen Athletinnen führen ihren Wettkampf unberührt fort und wechseln nach dem Radfahren kontrolliert und ohne weitere Zwischenfälle auf die Laufstrecke. Auch hier läuft alles einstudiert ab, es gibt kein Vertun, welche Abfolgen abzuarbeiten sind.

Sato

Das Publikum tobt, weil Laura Lindemann in Schlagdistanz zum Treppchen rennt und wir uns alle nichts mehr wünschen, als den Sportnationalstolz heute, hier in Hamburg, mit Laura Lindemann bis zur völligen Extase ausleben zu können. Laura beißt.

Lindemann

Triathleten sind einfach Kämpfer, das zeigt sich auf allen Distanzen. Triathleten beissen sich durch, sie geben sich selbst nicht verloren, komme was wolle, Triathleten geben alles. Sie sind nicht fertig, wenn sie müde sind, Triathleten sind fertig, wenn sie ins Ziel gelaufen sind. Vielleicht denkt sich Laura Lindemann das bei diesem Rennen so ähnlich? Sie läuft tatsächlich als Dritte ins Ziel. Ich raste aus und gönne es ihr so von Herzen.

World Triathlon

Später erfahre ich, dass es ihre erste Podiumsplatzierung auf dieser Distanz und in diesem Rennformat überhaupt war. Mein Sportnationalstolz hier in Hamburg hat sich also doppelt und dreifach ausgezahlt. Obwohl ich Laura Lindemann weder kenne noch besonders verfolge, ich freue mich trotzdem wahnsinnig mit ihr.

Kaum ist die Siegerehrung der Damen vorbei, bauen die Herren auf und absolvieren dann wenig später auch ihr Rennen. Die Männer sind noch eine Idee kämpferischer veranlagt, als die Damen, das liegt wohl am Testosteron? Während des Wettkampfs wechseln wir zu den Tricampern an die Strecke und ergänzen deren sowieso schon bestehendes Stimmungsnest, bis zum Schluß. Ehe wir dann in die Abendgestaltung übergehen, von der ich hoffe, dass sie wirklich kurz ausfällt, weil ich bereits jetzt am späten Nachmittag extrem geschafft bin, gehen wir mit Sarabi noch neue Laufschuhe kaufen. Sie braucht welche und der Zeugwart gibt den Tipp, es doch mal im Asics Flagship Store, der nur ein paar hundert Meter vom Jungfernstieg entfernt liegt, zu versuchen. Hier gibt’s eine umfangreiche Laufanalsyse inkl. Druckmessung und natürlich eine beeindruckende Auswahl an Asics Schuhen, jeder Farbe, Ausstattung und Facon. Wir marschieren gemeinsam los, Sarabi, der König der Löwen, der Zeugwart und ich. Und tatsächlich kauft Sarabi neue Laufschuhe.

Die Beratung ist wie aus dem Bilderbuch und so spazieren wir mit Sarabis neuen Laufschuhen zurück in Richtung Jungfernstieg um im Alexs, ehe das Löwenpaar sich wieder auf den Heimweg macht, noch ein bischen zu quatschen. Der Zeugwart und ich essen hier auch gleich zu Abend, damit wir dann die Zelte relativ zeitig abbrechen und die Äuglein schließen können. Morgen startet der Tonangeber um 6:30h und natürlich werden wir an der Strecke stehen und ihn anfeuern.