Der Motivator hat uns heute wieder vorgemeldet, das hat beim Giro in Hattersheim ja irgendwie Tradition und so sind wir heute mit der Startnummer fix dabei und finden auch gleich unsere Gruppe. Auf dem Weg zum Start überholt mich noch ein Autofahrer mit 50cm Abstand und aus Reflex, weil ich das so sinnlos finde, schreie ich ihm hinterher, was von seiner Aktion zu halten ist. Er ist geschockt, und kurbelt sofort das Fenster runter um sich zu entschuldigen. Es wäre ihm nicht klar gewesen, wie knapp das war. Mein Puls beruhigt sich wieder und ich kann dem Herrn vergeben, aber ich freue mich auch, dass es -vielleicht- einer mehr jetzt gelernt hat.

Die Männer haben sich heute ordentlich zusammengerudelt und so fahren wir, nachdem alle mit Anwesenheit glänzen, in einer recht großen Gruppe los. Natürlich Männertempo. Das liegt daran, weil Männer gar nicht anders können, als erst mal Männertempo zu fahren und es für Männer bei einer RTF auch nur wirklich schwer zu verstehen ist, dass es ein anderes Tempo als das Männertempo gibt. Meine ganzen Männer machen das nicht mit Absicht. Sie denken einfach, dass jetzt, wo ich wieder regelmäßig auf dem Rad sitze, es ganz logisch so wie früher ist. Sie gehen also davon aus, dass 34km/h auch mein normales Tempo ist. Ich erwähne dabei natürlich mehr als einmal, dass ich langsam bin, keine Kondition habe und auch die Kraft deutlich zu wünschen übrig läßt, aber sobald ich in Radhose und Trikot vor den Männern stehe oder auf dem Rädchen sitze, ist das Männertempo eingespeichert.

Die Männer hängen mich nach wenigen Kilometern ab und ich bleibe an Rapha hängen. Rapha ist kleidungsmäßig ziemlich weit vorne, aber was die Geschwindigkeit angeht, verhält er sich heute wie viele seiner Artgenossen, außer meiner Männergruppe. Sobald eine Frau aufschließt, wird er langsamer. Ich fahre auf ihn auf, und er fährt ein angenehmes 29km/h Tempo. Klasse, denke ich mir, das kann ich gut halten und so werden wir den Abstand zur Männergruppe auf jeden Fall verkürzen. Kaum bemerkt er mich und ich stelle mich kurz vor, fängt er an Konversation betreiben zu wollen und nimmt Tempo raus. Damit ich besser mitkomme, sagt er. Äh. Ich bin ja eben gut mitgekommen und sogar an ihn rangefahren, die Logik verstehe ich also überhaupt nicht.

Irgendwann muß ich ihn einfach überholen und er hält auch keinen Windschatten, ich hänge ihn einfach ab. Mit 24km/h kann ich auch alleine durch die Gegend gondeln, dafür brauche ich keinen Mann vornedran, der denkt, er tut mir einen Gefallen. Die Männer treffe ich an der nächsten roten Ampel und mache mir beim Zeugwart über sein Geschlecht mal kurz Luft. Dann fahren wir gemeinsam weiter. Die Männer haben das Männertempo etwas gedrosselt und so komme ich nun in der Ebene prima mit. Ein neues Männertempo ist das allerdings natürlich nicht. Das ist mir schon klar. Es ist eine vorübergehende Anpassung wegen schlechter Kondition. Die Betonung liegt dabei auf Vorübergehend.

Am Berg hängen sie mich alle ab und weil ich auch mal eine Pause mache, zerschlägt sich unsere Gruppe immer mal wieder. Ich verstehe das. Ich habe ja auch keine Lust mit 24km/h hinter einem herzufahren. Und es soll ja schließlich Spaß machen. Meine Männergruppe ist allerdings super cool, weil sie spätestens an den Verpflegungsstellen warten. Egal, wie lange es dauert, bis ich komme.

Hattersheim

Wir verfahren uns einmal, weil ich vorfahre und Frauen es offensichtlich weder mit der Orientierung noch mit dem Schilder lesen so haben, aber da wir eh dachten, die Tour hat 80km statt nur 72km, passt das auch, dass wir einen kurzen Umweg nehmen. Wenn ich mir den Abstecher auf der Karte ansehe, hätten wir uns den Weg mit meiner Verfahrerei ja sogar abkürzen können! Aber, wer will das schon? An einem steilen Stück muß ich kurz absteigen und meine Puste zusammensuchen. Im Gegensatz zur erst kürzlich gefahrenen Egoisten RTF, fragt mich heute ausnahmslos jeder, der an mir vorbei fährt, ob alles ok ist. Ob sie jemandem Bescheid geben sollen oder ob ich etwas brauche. Jeder fragt. Egal ob Mann, Frau, RTF Fahrer oder Fußgänger. Heute steht die Fürsorge ganz vorne. Ich bin begeistert und freue mich, dass ich dankend ablehnen kann.

Wir fahren heute 77km mit 900hm und ich schaffe trotz Schneckentempo am Berg einen Schnitt von 23km/h. Das macht mich schon ein bischen Stolz. Ich scheine auf einem ganz guten Weg zu sein, auch wenn die Anstiege weiterhin mühsam sind und ich im Anschluß vollkommen erschlagen auf der Couch liege und dem Zeugwart beim einschlafen erzähle, dass ich höchstwahrscheinlich vor Muskelkater nie wieder aufs Rad steigen kann. Meine Männergruppe ist wirklich das Beste, was mir Sonntags früh passieren kann.