Das Bettenlagererlebnis sitzt tief und so wache ich heute früh mit Kopfschmerzen auf. Kann ja nur am Bettenlager liegen, eine andere Möglichkeit gibt es schließlich nicht. Der Zeugwart und der Motivator fahren heute gemeinsam Rad, dafür wird sich unter der Eisenbahnbrücke getroffen und ich bin froh, dass keiner von mir erwartet, dass ich die finde. Der Zeugwart packt sich also gut ein und holt das Mountainbike aus dem Keller. Ich habe das dumpfe Gefühl, dass es nicht schlecht war, dass er das Rädchen nach der letzten Ausfahrt nicht geputzt hat. Draußen haben wir 6°C und es regnet leicht. Beste Voraussetzungen also, um es heute so richtig einzusauen. Die Kopfschmerzen und ich verschwinden noch mal ins Bett. Vielleicht sind sie dann beim nächsten Aufstehen weg und ich kann den Tag ordentlich beginnen. Und so ist es dann auch.

Zwei Stunden später wache ich auf, bin erholt und die Kopfschmerzen sind weg. Das ist herrlich. Und weil der Zeugwart nach wie vor mit dem Rad unterwegs ist, ziehe ich mir meine Laufsachen an und beschließe, eine Runde zu drehen. Wobei ich mit Runde natürlich maßlos übertreibe, ich laufe hin und wieder zurück. Ein kleines Stück. Nichts großartiges

Das Laufen klappt gut. Ich bin natürlich noch immer langsam unterwegs, aber der Puls ist im grünen Bereich und ich habe keine Schmerzen. Mein Knie meldet sich nicht und auch, dass ich es oberflächlich nur manchmal spüre ist heute nicht so komisch, wie beim letzten Mal. Ich kann mit offenem und mit geschlossenem Mund laufen und merke die Zähne nicht. Der Kiefer macht wirklich gut mit

Ich laufe hin, bin 30 Sekunden schneller an der Ecke als beim letzten Mal, und biege dann links ab durch den Wald. Der Weg ist uneben. Ich glaube, wenn ich eine Weile hier gelaufen bin, dann bin ich wirklich ordentlich fit und spezialisiert für Waldläufe. Derzeit ist die Spezialisierung allerdings noch in weiter Ferne. Ich bin erst mal froh, dass ich laufen kann.

Auf der Strasse sehe ich den Zeugwart. Er ist vollkommen eingesaut. Und weil wir uns mögen, fährt er kurz in den Waldweg rein um hallo zu sagen. Jetzt kann ich auch von Nahem sehen, dass er wirklich über und über komplett eingesaut ist und weder Hose, noch Schuhe oder Jacke wahrscheinlich jemals wieder sauber werden. Der Motivator und er haben ganz offensichtlich eine Spritztour gemacht und dabei genügend Schlammspritzer abgekriegt. Auftrag erfüllt anscheinend

Ich laufe noch ein bisschen weiter und drehe dann um. Auch heute gilt ja noch die Arztansage, dass ich maximal 30 Minuten am Stück unterwegs sein soll. Die Pause war lange, so dass die zeitliche Begrenzung sicherlich absolut Sinn macht. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass die Ärzte mir in der letzten Zeit viele sinnvolle Tipps gegeben haben

Im Wald mache ich noch mal kurz halt. Nicht weil ich muss, sondern weil ich möchte. Ich mache ein Bild von mir. Von der verletzten Seite, die noch vor Wochen wirklich unansehnlich war.

Das blaue Auge ist abgeschwollen, nicht mehr blau und auch nicht mehr blutunterlaufen. Die Abschürfung unter dem Auge heilt gut und auch am Kinn kann man kaum mehr einen Unterschied zur normalen Haut erkennen. Die Narbe zwischen Nase und Lippe ist für mich deutlich sicht- und fühlbar, auf dem Bild sieht man nur einen feinen Strich. Irre. Würde ich es nicht erwähnen, würde es nicht auffallen, soviel ist sicher. Die Zähne sind ja provisorisch hergestellt, so dass ich auch hier, wenn ich das Foto betrachte, keinen Unterschied zu meinem „vor dem Unfall-Gebiss“ feststellen kann. Die Zähne fühlen sich zwar anders an und ich kann sie auch noch nicht so 100% benutzen, aber der Antlitz ist auf jeden Fall dem Früher so ähnlich, dass mich die Leute sogar teilweise fragen, was beim Unfall überhaupt passiert ist. Man sieht ja gar nichts mehr.

 
Erstaunlich, dass es für viele nur wichtig ist, ob man noch was sieht. So als wäre ein Unfall nur schlimm gewesen, wenn er sichtbare Folgen hinterlässt.

Ich hoffe übrigens, dass Michael Schumacher ohne schlimme Folgen ebenfalls bald wieder der „Alte“ sein kann. Sein Unfall geht mir irgendwie nah, obwohl ich kein wirklicher Fan bin. Ich mache mir nur Gedanken, was bei meinen 20km/h hätte passieren können, wenn nicht der Asphalt, sondern ein Stein beim Aufprall auf den Helm getroffen wäre. Oder doch ein Baum.

Beim Umziehen betrachtet der Zeugwart das verletzte Knie und wir stellen beide fest, dass es doch noch ordentlich dick und ziemlich blau rundum ist. Deshalb kann ich mich auch noch nicht wieder drauf knien. Es braucht einfach noch mehr Zeit.