Unser nächster Hafen ist planmäßig Vik. Ein winziges Städtchen nur unweit entfernt von einer Stabkirche im Sognefjord. Das sind uralte Kirchen, die aus Holz gebaut wurden und hier in Norwegen eben als besondere Sehenswürdigkeiten angesehen werden. Für Vik habe ich eine kleine Wanderung über Kommot geplant. Die ist knapp 8km lang und deckt quasi alles ab. Den Ort und die Kirche. Fertig. Als ich nach einer recht erholsamen Nacht aufwache schaukelt das Schiff und der Kapitän sagt durch, dass er Vik nicht ansteuern wird. Der Hafen erzwingt nämlich einen sogenannten Tenderbetrieb. Da wird der Gast mit kleinen Booten durch den Sognefjord an Land gefahren, während die AIDAmar mitten im Fjord vor Anker liegt.
Der Wind ist dafür zu stark, sagt der Kapitän und deshalb fährt er an Vik vorbei weiter durch den Fjord bis zum Ende durch. So schlägt er mehrere Fliegen mit einer Klappe, aus seiner, und aus meiner Sicht. Wir fahren tagsüber durch einen Fjord und können die steilen Hänge, hübschen Wasserfälle und hohen, schneebedeckten Berge bestaunen und wir fahren dem Wind davon. Denn je tiefer wir im Fjord verschwinden, desto weniger Wind gibt es schlußendlich. Am Ende des Lustrafjords liegt das winzige Dorf Skjolgen, das uns heute Nachmittag beherbergen wird. Skjolgen hat gute 200 Einwohner und wird nun also für gute 6 Stunden von 2.000 Passagieren geflutet.
Das man hier in Skjolden an irgendeiner Stelle, die sich in Laufnähe zum Schiff befindet, alleine ist, kann man natürlich abhaken. So eine Situation gibt es grundsätzlich nicht, wenn ein Kreuzfahrtschiff so ein Gebiet ansteuert. Die Orte in den norwegischen Fjorden sind nun mal klein. Der Zeugwart und ich geben den Schiffspassagieren eine gute halbe Stunde, ehe wir uns selbst aufmachen und von Bord gehen. Man merkt den Reisenden die Erleichterung an, dass der Kapitän und seine Crew uns heute noch mal einen Landgang beschert haben. Das Schiff ist schön und gut ausgestattet, trotzdem sind zu viele Seetage einfach nervig.
Wir nutzen das Schiff ja als Transportmittel.
Diese Reise dauert insgesamt 10 Tage und natürlich wollen wir so viel Zeit, wie möglich in Norwegen und in der Landschaft selbst verbringen und so wenig Zeit, wie es eben geht, in Sitzgelegenheiten auf dem Schiff oder auf dem Laufband im Fitnessbereich. Wir betreten also das kleine Örtchen Skjolden, nehmen uns in der Touristeninformation, die direkt am Pier einen Stand hat, eine Karte und spazieren los. Erst mal machen wir das, was alle machen: wir laufen vom Schiff weg.
Skjolgen ist auf Touristen bestens eingestellt. Es gibt zahlreiche Ferienhäuser, Ferienwohnungen und Campingmöglichkeiten. Und alles ist super ausgeschildert. Im norwegischen Sommer scheint der Ort also regelmäßig deutlich über 200 Einwohner zu haben. Natürlich ist es im Herbst nicht ganz so schön zum campen und die Campingplätze, die wir sehen, haben sogar geschlossen. In ein paar Ferienwohnungen brennt aber Licht. Während wir also erst mal am Fjord entlang spazieren, orientieren wir uns auf der Karte und beschließen kurzerhand wo es lang gehen soll heute.
Skjolgen fehlen Wander- und Fußwege.
Wir gehen auf der Straße, denn einen Wanderweg gibt es nicht, und laufen durch Skjolgen in das Tal hinein. Immer am Wasser entlang geht es in guter Gesellschaft hinaus zu zahlreichen Wasserfällen. Wir lernen außerdem den Philosophen Wittgenstein kennen, der hier ein winziges Häuschen mitten in den Berg hineingebaut hat und einige Monate hier in Skjolgen lebte. Von einer Mitreisenden erfahre ich lautstark, dass es für Wittgenstein ja wohl keinerlei Schilder braucht, weil das Wissen um den Philosophen, sein Schaffen und sein Leben sowieso zur Allgemeinbildung gehört.
Da laufe ich mal flott weiter und beschließe, dass ich das Schild entweder auf dem Rückweg lese, oder einfach auf das nächste Schild warte. Wittgenstein sagt mir tatsächlich nichts, aber mit der Dame nun über Allgemeinbildung zu sprechen, macht ja auch keinen Sinn. Wir spazieren einen kleinen Wanderweg entlang, haben tolle Ausblicke und genießen den Landgang. Unser Ziel, der große Wasserfall, ist beeindruckend und wir sind ganz froh, dass wir diesen Weg entlangspaziert sind. Zwar hätte man sich die Hütte vom Herrn Wittgenstein auch noch ansehen können, aber mit meiner Allgemeinbildung ist es ja eh nicht so weit her. Hier hinten am Wasserfall erfahren wir auch, dass wir den Schlüssel für die Hütte im Coop in Skjolden bekommen können. Vorher stand das nirgends. So müsste man jetzt halt den ganzen Weg wieder zurück laufen. Spannend.
Wahrscheinlich gibt’s in der Hütte eh nicht viel zu sehen?
Statt an der Straße nach Skjolden zurück zu laufen, nehmen wir den gleichen Weg, den wir auch herspaziert sind. Alleine sind wir dabei natürlich nie. Entweder wir begegnen Menschen, die in unsere Richtung laufen und die wir einholen, oder uns kommen Menschen entgegen. Alle, die hier rumlaufen, wohnen mit uns auf dem Schiff, daran besteht kein Zweifel. Teilweise fragen sie, ob sich der Weg überhaupt lohnt, wohl in der Hoffnung, dass sie einfach wieder zurück spazieren können. Aber ich empfehle den Weg und den Wasserfall. Und was bleibt den Mitreisenden da jetzt auch anderes übrig? Irgendwie müssen sie sich die Sache jetzt ja ansehen. Wenn es schon eine Empfehlung gibt.
Wir sind dann nach guten 10 Kilometern wieder zurück am Schiff, das mittlerweile ganz wolkenverhangen im Lustrafjord vor Skjolden liegt. Sieht schon ein bisschen komisch aus, der kleine Anleger, die vielen Wolken, die hohen Berge und mittendrin das Schiff mit dem Kussmund. Nach einer warmen Dusche, gibt es erfreulicherweise auch gleich noch etwas zu essen und dann legen wir ein bisschen die Füße hoch und lesen. So sieht für mich Urlaubserholung aus.