Nachdem ich bei meiner letzten Geschäftsreise nach Nizza schon kleidungstechnisch für das Lauftraining nicht ganz perfekt ausgestattet war, habe ich ja nun immer eine Regenjacke mit im Gepäck. Selbst, wenn klar ist, dass es auf gar keinen Fall regnen wird, packe ich die Regenjacke ein. Die voraussichtlich letzte Geschäftsreise dieses Jahr führt mich nach Nizza. Wieder reise ich nur mit Handgepäck und habe die Laufsachen am Start. Auch die Regenjacke. Für Nizza ist aktuell kein Regen vorausgesagt, die Regenjacke wird mir trotzdem gute Dienste erweisen. Es ist nämlich gerade nicht besonders warm an der Côte d’Azur. 

Dezember in Südfrankreich bietet zwar ein paar Stunden verlässlichen Sonnenschein, allerdings ist es ähnlich kalt, wie bei uns. Die Kälte lässt sich im Sonnenschein allerdings besser vertragen, als im Regen. Und am Meer ist sowieso alles immer viel schöner, richtig? Ich bin gestern früh in Nizza gelandet und hatte einen anstrengenden Arbeitstag. Wenn alles auf Französisch stattfindet, dann ist das für mich ein bisschen anstrengender, als wenn ich den ganzen Tag Englisch spreche. Die Franzosen sprechen auch gerne schnell und mein Hirn hat einfach jede Menge zu tun, wenn es auch noch alles auf Französisch macht. Gestern Abend waren wir dann noch alle gemeinsam Abendessen. 

Das ist nach einem anstrengenden Tag dann auch irgendwie schön, wenn ich mit den Kollegen noch zusammensitzen kann. Für mein Hirn gibt’s allerdings keine Entspannung, weil wir natürlich weiterhin Französisch sprechen. Ich war also spät und echt geschafft im Bett gestern. Immerhin hat der Tag auch schon um 4:30h angefangen. So ist das, wenn man mit dem Flugzeug ins Büro reist. Der Bürotag beginnt ja trotzdem gegen 9h. In der letzten Nacht habe ich also sehr gut geschlafen und mir den Wecker früh gestellt. Ich habe heute früh ein langes Meeting und dann heute Nachmittag noch mal eins. Heute früh will ich deshalb laufen gehen. Den Trainingslauf habe ich mir vom Coach auch in den Plan gewünscht. 

Um nicht nüchtern loszulaufen, esse ich einen halben Riegel, den ich immer in meinem Arbeitsrucksack habe. Dann ziehe ich mir meine Klamotten an und fahre mit dem Aufzug in die Hotellobby. Der Nacht – Rezeptionist schaut mich etwas ungläubig an, wie ich in meiner kurzen Hose und dem T-Shirt vor ihm stehe. Es sei eiskalt draußen teilt er mit. Ich zeige auf meine Regenjacke und sage, dass ich das schon schaffen werde. Dann fragt er, wie lange ich unterwegs sein werde, denn er wird mir eine heisse Schokolade vorbereiten, für meine Rückkehr ins Hotel. Das ist aber nett! Ich trete auf die Straße, starte meine Uhr und trabe los. Es ist frisch, aber nicht eiskalt. 

Für nizzarianische Verhältnisse ist es vielleicht eiskalt, ich bin aus dem Rhein-Main-Gebiet kältere Temperaturen gewöhnt. Ich bin schon länger nicht mehr gelaufen, oder? Daheim saß ich jetzt eher auf der Rolle, wenn ich das Training überhaupt geschafft habe. Der Coach wird meine aktuelle Planerfüllung sicherlich nicht besonders gut finden… ich heule eher rum, oder sitze am Schreibtisch um zu arbeiten, statt zu trainieren. Für den Coach keine leichte Situation, vermute ich. Wenn ich aber dann laufen gehe, dann finde ich es großartig und freue mich richtig darüber. Hier in Nizza kenne ich die Strecke. Ich laufe einfach immer die gleiche Strecke, am Meer entlang. Warum sollte ich auch woanders laufen gehen? 

Das Meer habe ich daheim nicht. Die Strecke ist beleuchtet und es geht nur sanft hoch oder runter. Also absolut machbar. Heute bin ich hochgradig motiviert. Ich will mir während des Lauftrainings heute keine Gedanken über die Arbeit machen, sondern die Seele einfach baumeln lassen. Das ist in der letzten Zeit nicht immer einfach. Meistens denke ich über die Arbeit nach und über das, was noch so erledigt werden muss. Umso schöner, dass ich hier jetzt ganz bewusst einfach laufen gehe. Ohne Arbeitsgedanken. 

Ich passiere den alten Hafen, die Statur vom Koffer-bepackten Fiat und das „I love Nice“ Schild. Dann trabe ich zu den blauen Stühlen und genieße die Geräusche des Meeres. Nach der Hälfte der Zeit drehe ich um und laufe einfach zurück. Ich bin nicht schnell unterwegs, aber es fühlt sich großartig an. Und als ich zurück ins Hotel komme, steht da tatsächlich eine heiße Schokolade für mich und der freundliche Rezeptionist hat mir eine Decke bereit gelegt. Allerdings friere ich nicht. So kalt ist es nicht gewesen. Aber es war richtig schön.