In Hessen haben wir heute Feiertag und wir bekommen Besuch. Der Mandelkuchen nach dem leicht abgewandelten Rezept von Cycling Claude ist bereits gebacken und der Zeugwart und ich möchten vorher gerne eine Runde Radfahren. Irgendwie passend, dass ich bei Mandelkuchen daran denke, dass wir Rennrad fahren könnten. Obwohl mir Rennrad fahren vom Bauchgefühl her eigentlich gar nicht liegt. Auf der Straße mit dem Rad unterwegs zu sein, ist hier bei uns wenig attraktiv. Die Autofahrer finden Radfahrer mehrheitlich uncool, sind unkonzentriert oder nicht auf die Geschwindigkeit von Rennrädern eingestellt. Rennrad fahren ist im Rhein-Main-Gebiet einfach auf der Straße unattraktiv aus meiner Sicht. 

Um auf baulich getrennten Radwegen oder auf Radschutzstreifen mit dem Rennrad zu fahren, müssten diese gut in Schuss sein. Damit meine ich, dass der Asphalt nicht kaputt sein sollte und natürlich, dass die Wege sauber sind. Wenn der Radweg voller Glasscherben liegt, ist er zum Rad fahren unbrauchbar. Leider ist das bei uns in der Gegend oft der Fall. Mit meinem Alltagsrad kann ich dann auf unbefestigte Wege ausweichen. Das ist mit dem Rennrad nicht möglich. Dafür kann ich mir dann von Autofahrern lautstark anhören, dass ich mit meinem Scheissfahrrad von der Straße verschwinden soll. Weil ich dort natürlich blockiere. Auch wenn ich deutlich über 30 km/h fahre. 

Rennradfahren auf der Straße ist im Rhein-Main-Gebiet für mich unattraktiv.

Da können die Städte noch so viele Radstreifen bauen oder Schilder aufstellen. Manchmal enden die einfach im Nichts. Und wenn die Menschen dann eben Glas drauf werfen, und die Reinigung dauert, dann bringt der schönste Radweg nichts. Schade. Es ist also für mich ein Spießrutenlaufen, oder besser fahren. Heute möchte ich trotzdem Rennrad fahren. Mit einem absoluten Minimum an Straßenpräsenz. Ich wähle eine Strecke, die abseits vom Verkehr entlang führt und wirklich nur ein paar wenige Kilometer mit dem Verkehr unterwegs ist. Dann klingelt das Telefon und der Besuch sagt ab. Das Kind fiebert. Kinder sind unberechenbar und offensichtlich nicht an Mandelkuchen interessiert, obwohl das Rezept wirklich 1A super gut ist. 

Der Zeugwart und ich sind also ab sofort deutlich entspannter und absolut ohne Zeitdruck unterwegs. Wir erweitern die Strecke und pumpen die Reifen auf. Mein Rennrad ist ein richtiges Leichtgewicht im Vergleich zu meinem Alltagsrad. Im Gegensatz zum Alltagsrad bin ich beim Rennrad fahren auch kaum bepackt. Flickzeug ist in der Satteltasche und Papiere, Telefon und Schlüssel sind in der Trikotrückentasche. Mehr haben wir nicht dabei. Ich trage meine Rennradschuhe mit meinen Winsole Einlagen und schon sind wir unterwegs. Die Straßenpräsenz zu Beginn der Runde lässt sich nicht vermeiden. Irgendwie müssen wir ja zu den Radwegen hin kommen. In unserem Wohngebiet geht es autofahrertechnisch. 

Auf dem Radweg schalte ich mal durch und gewöhne mich an mein Rennrad. Wenn man es eine Weile nicht draußen fährt, dann finde ich es immer gut, kurz ein bisschen Gewöhnung zu machen, ehe es zur Sache geht. Durchschalten, bremsen, wie reagiert die Lenkung, das alles mache ich auf ein paar Metern ehe es erst auf die Straße und dann an den Main geht. Dort ist man weit weg vom Verkehr. Das Mainufer gehört nur nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern. Obwohl das nicht mehr ganz stimmt. E-bikes fahren hier selbstverständlich auch. Am Mainufer sind also nur Fußgänger und Radfahrer unterwegs. Das trifft es besser. 

Ich genieße die Rennradrunde heute ausgiebig. Es hat mir richtig gut gefallen! Ich glaube auch, dass der weggenommene Zeitdruck viel dazu beigetragen hat, dass ich so fahren konnte, wie ich es angenehm fand. Nach 45 Minuten musste ich anhalten und mein Spray nachsprühen, weil ich die Luftnot wieder gespürt habe, aber auch das verlief ohne Zeitdruck. Wie die Ärztin bezüglich des Post-Covid Asthmas sagte: bleiben sie ruhig. Das ist zwar leichter gesagt, als getan, aber auf jeden Fall ein guter Ratschlag. Gestresst sein bringt keinem etwas. Und ein Körper heilt unter Druck nicht schneller. Wenn er überhaupt heilen kann. Bei der Lunge ist das ja aktuell ein Glücksspiel. 

Wir beenden die Runde erfolgreich, sind wahrscheinlich auch ordentlich braun geworden und ich stelle mein Rad ins Wohnzimmer. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass es bald wieder zum Einsatz kommen wird. Der Mandelkuchen, der frisch gebacken in der Küche steht, schmeckt hervorragend und irgendwie kommt ein ganz kleines bisschen Mallorcafeeling auf. Aber nur ein kleines Bisschen.