Mit der Corona Krise gibt es viel Zeit zum nachdenken. Allein die vielen ausgefallenen Verabredungen, das gezielte Einkaufen einmal wöchentlich und die Mittagspausen. Die verbringe ich seit Corona ja nicht mehr mit den leibgewonnenen Kollegen. Es bleibt also Zeit, die es mit Gedanken zu füllen gilt. Ich bemühe mich durchweg positive Gedanken zu haben, einfach, weil die die Besseren sind. Wer möchte schon an nicht so schöne Sachen denken. Also denke ich zum Beispiel an mein großes sportliches Ziel, den Ironman.

Und, wie so viele Andere, die das Thema zu Hause bleiben Ernst genommen haben, denke ich auch darüber nach, was überflüssig ist. Aussortieren und neu gestalten ist zu Corona Krisenzeiten ja eine lieb gewonnene Beschäftigung. Zumindest zeigen mir das die Sperrmülltermine im Dorf und die Mülltonnen der Nachbarschaft. Und die Schlangen vor den Baumärkten sprechen ebenfalls für sich. Da wurde jede Menge ausgebessert, gebaut und gestrichen. Corona macht alles neu. Nicht der Mai. Obwohl es ja zufälligerweise passen würde. Ich denke also auch darüber nach, was ich so brauche und ob es nicht auch Sachen gibt, die ich aussortieren kann.

Klamotten gehen immer. So viel ist klar. Und ein paar Laufschuhpaare habe ich ebenfalls aussortiert. Ich ziehe die eh nicht mehr an, sie sind durchgerannt und teilweise sogar kaputt. So viel mal beim renovieren helfen oder streichen werde ich im Leben nicht mehr, wie ich Klamotten und Schuhe dafür hätte. Da muß man einfach auch mal Tschüss sagen können. Und ganz offen habe ich auch darüber nachgedacht, ob ich mein Triathlonfahrrad brauche. Es steht immer mal auf der Rolle und wird gefahren, aber draußen waren wir schon eine ganze Weile nicht mehr. Das liegt einfach daran, dass die Position auf dem Aufflieger für mich immer noch unangenehm ist. Nicht, weil mein Rücken das nicht abkann, sondern wegen der Atmung.

Ich übe zwar, aber es erfordert weiterhin Geduld. Und ob ich jemals wieder längere Zeit so gekrümmt sitzen werde? Wer weiß das schon? Die Ärzte waren sich auch sicher, dass ich nie wieder Rennen werde, dass Schwimmen, Rad fahren und Laufen nur noch vom Streckenrand möglich sein werden und dass es eben für alles eine Zeit gibt. Und wenn man sich davon einlullen lässt, dann ist das bestimmt auch so. Allerdings kann man auch einfach versuchen, dass es eben nicht unbedingt so läuft, wie der Arzt es einem prophezeit. Wenn ich auf meinen Körper höre, dann klappt viel mehr, als das Ärzteteam und ich jemals gedacht hätten.

Mein Triathlonrad habe ich mir für große Pläne gekauft. Damals.

Der Start beim Ironman 70.3 Kraichgau sollte der Neubeginn sein. Und dann sollte es mit kontinuierlichen Schritten weitergehen, bis ganz nach oben. In meinem Kopf war der Weg klar. Der Trainer war damals zurückhaltend und wir haben nicht über die Machbarkeit gesprochen. Das wäre ein Spätsommerthema gewesen, der Ironman im nächsten Jahr. Die Langdistanz, die Königsdisziplin. Damals, wie heute, ein großer Traum. Der Weg dort hin war für mich nicht einfach gedacht, aber auch nicht unmöglich. Zumindest nicht so weit weg, wie es heute erscheint.

Kraichgau im Juni, ein Start in Vichy im August, ein Spätsommer mit Erholung und Trainingsplan nach Lust und Laune und dann ein geordneter Trainingsstart für den Ironman Frankfurt im Juli 2017. Das Triathlonrad und ich waren genau im Plan, bis der Unfall kam. Trotz Aussortieren und neu ordnen möchte ich das Slice Rädchen aber nicht verkaufen. Es dürfte sich sowieso schwierig ein Käufer für ein gebrauchtes kleines Rädchen ohne eletronische Schaltung mit dem Design aus dem Jahre 2013 finden. Obwohl ja jeden Tag einer aufsteht und man denjenigen nur finden muß. Klar ist aber, dass das Rädchen und ich zusammenbleiben.

Erst mal, bis wir einen Ironman absolviert haben. Einfach, weil das schon 2013 ein Hinterkopfziel war und ich das immer noch gerne möchte. Und wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg, das ist mal klar. Außerdem war ich mit dem Start auf meiner zweiten Mitteldistanz im Kraichgau auch wirklich auf einem guten Weg. Kein schneller Weg, klar. Aber ein solider Weg. Einer, auf dem man aufbauen konnte. Das war ein Trainingszustand, der mich nach meinem Unfall schnell wieder fit werden ließ. Auch wenn ich trotzdem eine gefühlte Ewigkeit gebraucht habe, waren alle überrascht, wie schnell ich fit wurde. Und das ist ausschließlich auf den guten Trainingszustand und das ordentliche Fitnesslevel zurückzuführen.

Das Triathlonrädchen und ich werden sicherlich noch eine Weile brauchen, bis wir endlich wieder an einer Startlinie stehen können. Erst mal egal, welche Distanz. Die Position auf dem Auffliegen muß ich noch weiter üben und dann müssen natürlich auch wieder Wettkämpfe statt finden. Aber dann! Unsere Zeit wird kommen und so behalte ich das Cannondale Slice, bis ich den Ironman gemacht habe. Und danach behalte ich es, weil es das Rad ist, mit dem ich den Ironman gemacht habe. Das ist doch ein großartiger Plan!