Heute ist Sonntag, es ist ganz grandioses Wetter und alle sind draußen unterwegs. Als der Zeugwart und ich mit den Rädern losfahren, habe ich das Gefühl, dass alle Menschen im Frankfurter Umland sich am Main aufhalten. In der Hitze treibt es die Menschen eben zum Wasser. Wir müssen allerdings jetzt wirklich alles geben, um so schnell es geht vom Main und dem Einzugsgebiet wegzukommen. Das wird ja wohl zu schaffen sein. Die Frankfurter Skyline im Rücken fahren wir heute in Richtung Norden. Als grobes Ziel haben wir uns mal die Ronneburg vorgenommen. Hier gibt’s außerdem die Weiterführung des Limesradweg und ganz sicher auch ansonsten einiges zu sehen.

Wir fahren herrlich durch den Wald zwischen Hanau und Bruchköbel und irgendwann teilt der Zeugwart mit, dass auch er jetzt keine bekannte Strecke mehr unter den Reifen hat. Der Zeugwart ist hier ab und zu mal unterwegs, aber wir sind mittlerweile weiter, als sein übliches Einzugsgebiet. Die Schilder betiteln diesen Weg als den 5 Sterne Rundweg von Bruchköbel und tatsächlich haben die Bruchköbler hier ein paar schöne Wege, die sich lohnen. Für uns geht’s nach dem Waldstück über die Feder und teilweise mitten durch Waldstücke, in denen eher seltener Leute unterwegs zu sein scheinen. Wir biegen auf eine Straße ab, die wir sonst auch oft mit dem Rennrad fahren. Heute würde sich der Gemische Rad- und Fußgängerweg dazu allerdings überhaupt nicht anbieten.

Rücksicht – immer wichtig

Die Rennradfahrer, die uns auf dem gemischten Weg entgegenkommen klingeln. Sie zeigen damit ihre Erwartungshaltung, dass die Fußgänger vor ihnen auf die Wiese hüpfen sollen um ihnen Platz zu machen. Das ist schade und sicherlich nicht Sinn der Sache. Gemischte Nutzungswege sind einfach schwierig. Die Fußgänger wollen nebeneinander flanieren um sich zu unterhalten. Hundeführer wollen ihren Hunden etwas Leinenfreiheit geben und die Radfahrer wollen voran kommen. Gerade Rennradfahrer mögen Geschwindigkeit. Diese Wege für gemischte Nutzung brauchen ein bestimmtes Mindset. Eines, was Rücksicht ganz nach vorne rückt und alles Andere in den Hintergrund setzt. Das ist nicht jedermanns Sache.

Wie im richtigen Leben eben. Dieser Weg spiegelt die Gesellschaft ganz gut wieder.

Auf den wenigen Kilometern, die wir im Straßenverkehr ohne Radweg unterwegs sind, erleben wir extrem rücksichtsvolle Autofahrer. Die haben die neue Abstandsregelung zu Radfahrern wirklich verinnerlicht! Einfach toll. Vor allem von den richtig aufgemotzten Autos hätte ich das nicht erwartet. Das Leben ist eben voller Vorurteile. Ich bekomme sogar zweimal die Vorfahrt gewährt, obwohl ich sie eigentlich gar nicht hätte, weil ich so rumeiere. Einfach, weil die Autofahrer mitdenken, Zeit haben, Rücksichtsvoll sind und nicht auf ihr Recht bestehen. Wie schön!

Wir radeln über ganz schön schottrige Wege und haben unser eigentliches Ziel, die Ronneburg immer fest im Kopf. Nur im Blick haben wir sie nicht. Das ist maßgeblich dem geschuldet, dass ich irgendwann das Schild Limesradweg sehe und beschließe, dass wir hier abbiegen müssen. Ich hab den Zeugwart da einfach falsch verstanden. Ich dachte, die Ronneburg liegt am Limesradweg. Das ist aber nicht der Fall. Die Ronneburg erreichen wir so nicht. Aber der Radweg ist schön. Wir klettern ein paar Anstiege hoch und hoffen, dass wir wenigstens einen Blick auf die Burg erhaschen können. So weit dürften wir immerhin nicht mehr entfernt sein. Allerdings versteckt sie sich vor uns.

Dafür öffnet sich auf der nächsten Anhöhe ein grandioser Blick auf die Frankfurter Skyline. Gerade so, als wollte uns die Welt für Corona und die damit verbundene Absage unserer New York Reise mit Lovis und dem Räuberhauptmann entschädigen. Die Skyline ist wirklich toll zu sehen und im Moment fliegt noch ein Zeppelin ganz fotogen vorbei. Das ist wirklich eine absolut urlaubstaugliche Ansicht. Der Zeugwart und ich genießen kurz. Ich muß trotzdem etwas wehmütig an die Skyline von New York denken, bin aber schnell wieder im hier und jetzt auf meinem Gravelbike. Und ich genieße die grob geschotterte Abfahrt mit sandigen Etappen, die mir kein unangenehmes Gefühl gibt. Wir sind mittlerweile in Marköbel und fahren nun über die Hohe Straße wieder in Richtung Süden.

Eigentlich dachte ich nicht, dass die Hohe Straße hier bereits beginnt, aber das Schild ist eindeutig. Lustigerweise ist die Straße dann allerdings durch eine Leitplanke abgesperrt. Nun gut. Mein Gravelbike kann ich leicht drumrum manövrieren. Dann fahren wir ein Stück Straße, ehe wir wieder in die Felder abbiegen und auch wieder den 5 Sterne Rundweg von Bruchköbel erreichen. Nur an einer ganz anderen Stelle. Von hier aus fahren wir durch die fast menschenleere Hanauer Innenstadt und über Steinheim wieder durch den Wald gen Heimat. Eine wirklich sehr schöne Radrunde. Allerdings tatsächlich ohne die Ronneburg. Die haben wir noch nicht mal aus der Ferne gesehen. Dafür aber die tolle Skyline. Es geht offenbar heute nicht Beides.