Jetzt bin ich ganz knapp vor dem Ziel hier beim IRONMAN 70.3 Duisburg. Die Laufstrecke ist praktisch geschafft. Das ist einfach unglaublich. Wahrscheinlich mehr für mich selbst, als für alle anderen, aber egal. Ich kann ja nur auf meinen Kopf zählen, andere Köpfe habe ich ja nicht dabei. Ich bin jetzt auf dem Gelände des Stadions und es ist wirklich nicht mehr weit. Wie laufe ich denn jetzt gleich ins Ziel ein? Jetzt hatte ich ja wirklich genügend Zeit, mir da was Passendes zu überlegen. Und was mache ich? Mir nichts überlegen. Super. 

Ich bin noch immer vor dem Stadion und schaue auf die Uhr. Ich habe die 21 km voll und stoppe ab. So habe ich wenigstens später den Finger nicht an der Uhr für mein Zielfoto. Das ist doch auch was wert. Immerhin wurde in der Wettkampfbesprechung ja extra darauf hingewiesen, dass ich mir das Abdrücken sparen könnte. Während ich also die Uhr abstoppe, laufe ich durch den dunklen Tunnel und sehe das Sonnenlicht im Stadion. Dieses Mal, anders als in den letzten zwei Runden, strahlt mich die junge Dame am Eingang vom Zielkanal an, als ich ihr meinen mit Bändchen geschmückten Arm zeige. 

Sie hat es im Blick und gestattet mir das Abbiegen. Wer hätte das gedacht? Jetzt kann jeder sagen, dass es eh immer klar war, dass ich in dieses Ziel laufen kann. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Klar habe ich gut trainiert, ich habe aber immer auch eine gute Portion Zweifel am Start gehabt. Ich betrete den Zielteppich, der ganz sauber aussieht, obwohl ihn heute schon sehr viele Athleten betreten haben. Vor mir sehe ich den Zielbogen mit dem großen roten M-dot. Immer noch weit weg, weil der Teppich lange ist, aber auf jeden Fall erreichbar. Für mich. Mit jedem Schritt, den ich auf diesem Weg zum IRONMAN 70.3 Duisburg gemacht habe, bin ich diesem Zielbogen ein kleines Stück näher gekommen. 

Die Tribüne ist gut gefüllt und ich sehe den Zeugwart und alle meine Freunde, die alle auf mich warten. Sie haben seit heute früh mit mir mitgefiebert und hatten sicherlich einen ähnlich anstrengenden Tag, wie ich. Im Grunde kann man sagen: Wir haben es geschafft. Irgendwie alle gemeinsam, obwohl ich die Einzige mit krassem Muskelkater morgen sein dürfte. Jeder Einzelne meiner Freunde hat heute hier eine Medaille verdient, alle haben mich unterstützt. Mit ihrem Verständnis, ihren aufmunternden Worten, mit Begleitung bei Trainingseinheiten, mit ihrem Glauben daran, dass ich hier heute ins Ziel laufen kann. So eine Unterstützung ist einfach Gold wert. 

Bild von Sportograf

Ich reiße die Arme nach oben und lache vor Freude. Die Cheerleader des Rheinfire Footballteams, die für meinen Zieleinlauf Spalier stehen, reißen die Arme ebenfalls nach oben und rascheln mit ihrem Pompons, was ihre Arme eben so hergeben. Meine Mitteldistanz hat funktioniert! Es war nicht locker und ich musste hart dafür arbeiten, aber es hat geklappt. Das war nicht garantiert und deshalb freue ich mich wirklich sehr. Im Ziel erwarten mich alle meine Freunde und Lovis empfängt mich. Sie hält mich fest und weint. Ich bin heute vor allem auch für sie ins Ziel gelaufen, weil wir das hier eigentlich gemeinsam schaffen wollten. 

Leider hat das bei ihr nicht geklappt und sie musste nebendran stehen, so wie ich damals in Hamburg. Das war damals hart für mich. Und heute war das für Lovis nicht leicht, auch wenn so ein Start eben einfach „nur“ ein Start ist. Wenn er einem genommen wird, ist es auf einmal eben die ganze Welt. Eine Entscheidung, die man selbst treffen kann, wiegt immer anders, als eine, die für einen getroffen wird. Ich verstehe das. Lovis hält mich fest, damit ich nicht umkippe und dann gibt sie mir meine Medaille. Ich küsse den Zeugwart und drücke alle meine Freunde. Alle gratulieren. 

Das große Abenteuer, die Rückkehr zum Triathlon, ist rum. Oder hat es gerade erst begonnen? 

Der Abend

Mir tun alle Muskeln weh, auch die, die mir bisher noch nie weh getan haben. Nach einer ganzen Weile checke ich mein Rad aus, hole meine Beutel und wir fahren zurück ins Hotel. Irgendwann dazwischen erfahren wir, dass beim Schwimmen heute ein Teilnehmer verstorben ist. Das gibt mir einen Stich. Auf der einen Seite so viel Freude, auf der anderen Seite so viel Leid. Wie passt das zusammen? Beides liegt eben oft nah beieinander. Als in der Zeitung ein Foto des toten Teilnehmers erscheint, stockt mir kurz der Atem. Ich erkenne den Herrn wieder, der vor dem Schwimmstart noch mal seinen Neo richten wollte. Wir gehen am Abend noch essen und dann früh ins Bett. Ich schlafe, wie ein Stein.

DIE BILDER IN DEN IRONMAN 70.3 DUISBURG WETTKAMPFBERICHTEN HABEN MEINE FREUNDE, INGO KUTSCHE UND DIE FOTOGRAFEN DER FIRMA SPORTOGRAF VON MIR GEMACHT.