Als wir heute früh um 10h auf die Räder steigen, ist es wahrlich noch frisch draußen. Ich bin froh über meine Armlinge und meine Weste, zu der ich heute früh gleich gegriffen habe. Ich denke wenn wir zwei Stunden eher losfahren würden, bräuchte ich auch Beinlinge und vor allem lange Handschuhe. Unsere Abfahrtszeit ist also gut gewählt, denn Armlänge und eine Weste habe ich eh ganz gerne dabei, wenn es um längere Abfahrten geht. Und so wird es heute sein, weil wir zur Rückersbacher Schlucht in den Spessart fahren. Da geht’s ordentlich hoch und natürlich irgendwann auch wieder runter.

Die Anfahrt zum Spessart auf dem Rennrad kenne ich aus dem ff. Wir sind schon öfter zum Zauberbrunnen und dann auch hoch auf den Hahnenkamm gefahren. Langsam, schnell, im Warmen, im Kalten, mit Gesellschaft und auch ohne. Abseits der Straße allerdings haben wir das noch nie gemacht. Also ist heute auch die Anfahrt zum Spessart nur bedingt, wie ich sie kenne. Ganz ohne Straßenkilometer kommen wir nicht aus, weil es hier im Fluß- Gebiet eben einfach nicht überall eine Möglichkeit gibt, um den Main zu überqueren. Und durchfahren können wir ja wohl kaum. Mit den Gravelbikes nutzen wir vor allem Radwege oder Seitenstraßen. Der Weg, den der Zeugwart ausgesucht hat, führt wieder zum Teil über den Limesradweg. Und der führt dann auch am tiefsten Punkt von Hessen vorbei, an dem wir natürlich einen kurzen Fotostop machen.

Der Limesradweg führt dann am Main weiter gen Süden, während wir zur Rückersbacher Schlucht abbiegen müssen. Wir nutzen eine gut bekannte Zubringerstraße zum Zauberbrunnen, obwohl wir heute nicht hoch fahren. Heute fahren wir Gravelrad und dementsprechend vor allem über nicht asphaltierte Wege. Den Einstieg zur Rückersbacher Schlucht erreichen wir über grob geschotterte Wege am Waldrand entlang. Natürlich hat uns Komoot noch ein paar Sehenswürdigkeiten angezeigt, die wir uns auf der Strecke ansehen. Abseits vom tiefsten Punkt in Hessen gibt’s auch noch ein paar interessante Hinweistafeln zu Steinabbauten und Grotten, die wir uns kurz zu Gemüte führen. Immerhin haben wir ja Urlaub und sind nicht in Eile. Genauso haben wir es im letzten Jahr auch während unserer Radausfahrten im Mohrenwirt gemacht.

Sich zu hetzen bringt gar nichts. Wir genießen die Landschaft, halten ab und zu mal für ein Foto an und atmen die gute Luft des Naturparks Spessart ein. Erstaunlich, wie nah bei uns alles zusammen liegt. Also nicht alles natürlich, aber wirklich viele schöne Ecken liegen nah beieinander. Man muß nur wollen. Und vor allem ein bisschen planen. Das, was im Mohrenwirt oder im Trainingslager auf Mallorca eben bereits für uns gemacht wird, das machen wir in diesen zwei Wochen eben selbst. Genauso, wie kochen. Das machen wir natürlich ebenfalls selbst. Als wir den Eingang zur Rückersbacher Schlucht erreichen, steht die Sonne perfekt um die Landschaft in Szene zu setzen. Hier ist es einfach malerisch. Und ich kann das total genießen, obwohl es stetig Berg auf geht.

Lustigerweise grüßen uns die entgegenkommenden Mountainbiker… und zwar so, als wüßten sie, dass ich garantiert oben ankomme. Irgendwie beruhigend. Ich kann mich kaum satt sehen und trete einfach kontinuierlich immer weiter. Langsam, aber stetig komme ich so Meter für Meter voran und muß erst am Sternberg absteigen und ein Stück schieben. Meine Beine können nicht mehr. Meine Lunge dagegen ist noch fit. Erstaunlich, denn bislang war es eigentlich immer anders herum. Die Beine kann ich deutlich leichter trainieren, als die Lunge! Was für eine tolle Entwicklung! Erfreulicherweise hat man am Sternberg so auf Dreiviertel des Anstiegs eine Bank mit toller Aussicht hingestellt. Und der Zeugwart wartet dort netterweise auf mich. Der Ausblick ist grandios!

Den Rest des Berges schaffe ich, nach der kleinen Pause, dann auch wieder ganz hervorragend. Ich kann flüssig treten und so geht’s dann auch zurück in den Wald und damit in die durchaus teilweise richtig steile Abfahrt hinein. Hier muß man wirklich Gravel – Fahrkünste haben, wow. So steil bin ich bisher noch nie irgendwo runter gefahren! Und hier mache ich das nun auf  ziemlich grob geschotterten Waldboden. Ein Stück muß ich schieben, was aber dank meiner neuen Schuhe mit ordentlich Gripp auch ganz gut klappt. Also alles kein Problem. Der Zeugwart, der mit seinem Gravelbike ja ohne Schlauch unterwegs ist, muß auf unser heutigen Runde immer mal Nachpumpen. Die Milch, die das winzige Loch im Hinterreifen eigentlich abdichten soll, spotzt immer mal wieder raus. Wirklich abdichten tut sie nicht. Zumindest nicht dauerhaft. Dabei ist das Löchlein wirklich klein. Aber Kleinvieh macht eben auch Mist.

Auf der Heimfahrt, die wir auch versuchen weitestgehend abseits der Straße abzuhandeln, begegnen uns ein paar absolut bekloppte Autofahrer, die von Verkehrsregeln wirklich wenig Ahnung haben. Komisch, das ist heute wirklich das Erste Mal und wir sind schon viele Kilometern im September auf den Rädern unterwegs. Heute haben sie es allerdings alle eilig, müssen sich noch irgendwo durchdrängeln und sind einfach unvorsichtig. Wenn ich nicht so urlaubsentspannt wäre, würde ich alle notieren und anzeigen. Ob es dank meiner Urlaubsentspanntheit etwas bringt, dass diese Deppen dann den nächsten Radler vom Fahrrad holen, weiß ich allerdings auch nicht. Wie man es macht, macht man es ja sowieso oft verkehrt.

Unseren letzten Pausenstopp machen wir heute an einer Milchtankstelle, die erfreulicherweise auch gekühlte Apfelsaftschorle in ihrem Automaten hat. Unsere Flaschen sind mittlerweile nämlich leer getrunken und so ist dieses Komoot Highlight, das der Zeugwart eingeplant hat, eine wirklich tolle Sache! Wir beobachten während unserer Pause die Kühe und die Segelflieger, ehe es wieder möglichst abseits des Straßenverkehrs zurück nach Hause geht. Eine wirklich super schöne Runde war das, vor allem die Rückersbacher Schlucht war der Wahnsinn.